Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
Vom Netzwerk:
Gegenteil war der Fall, trotzdem fühlte er sich seltsam unterlegen. So war es ihm früher häufig ergangen, wenn er mit Älteren zusammen war, die mehr wussten als er und dieses Wissen gegen ihn ausspielten. Er durfte sich nicht einschüchtern lassen und reagierte mit deutlich erhobener Stimme:
    »Über den Sinn und Unsinn meiner Arbeit haben Sie, Untersturmführer Schwarz, nicht zu befinden. Also frage ich Sie noch einmal: Was haben Sie mit der Pension Schmidt zu tun?«
    Schwarz sprang aus dem Sessel.
    »Ich bin nicht befugt, Ihnen darüber auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen, Herr Kriminalkommissar. Geheime Reichssache!«
    Er schlug die Hacken zusammen und verließ den Raum. Daut war konsterniert. Ließ ihn dieser Kerl hier stehen wie einen dummen Schuljungen. Und wieder dieser Begriff »Geheime Reichssache«. Davon hatte Dora Zegg doch gesprochen, als ihr Mann sie nach Sinn und Zweck ihrer Bayernreise fragte. Was war bloß mit diesem Bordell los?

    Als Daut auf die Straße trat, hatte sich das Gewitter verzogen. Er schlenderte langsam in Richtung seines Autos. Was für ein wunderbarer Frühsommertag. Es war warm, und die Menschen spazieren über den Ku’damm, als wäre tiefster Frieden. Das Café Möhring hatte ein paar Stühle aufs Trottoir gestellt. Daut beschloss, noch ein Stück den Boulevard hinaufzulaufen. Beim Gehen konnte er am besten nachdenken. Warum hatte das Reichssicherheitshauptamt, konkreter der SD, Interesse an dem Bordell? War an den immer wieder kursierenden Gerüchten doch etwas dran, dass sich die höchsten Herren der Partei und des Staates ihre privaten Vergnügungsstätten hielten? Bei einem feuchtfröhlichen Kollegenabend im Aschinger hatte ihm vor ein paar Monaten Brockschmidt von der Sitte so etwas erzählt. Es gäbe sogar einen speziellen Klub für die »Hinterlader«. Offizieller Name: »Preußisches Stallkasino«, von allen aber nur »der Stall« genannt. Da käme man nur rein, wenn man von zwei Bürgen eingeladen würde. Die Burschen dort seien ausgesucht hübsche Jungs. Alle erstklassiges »arisches Zuchtmaterial«, aber eben andersherum.
    Brockschmidt, der schon reichlich angetrunken war, hatte ihm vertraulich zugeflüstert:
    »Da gehen ein paar hohe Tiere ein und aus. Du würdest dich wundern.«
    Als Brockschmidt andeutete, dass auch Graf von Helldorf dazugehörte, wunderte sich Daut allerdings nicht. Der Polizeipräsident war ein Hallodri ersten Grades. Bei ihm war alles denkbar.
    War die Pension Schmidt so eine Art Gegenstück zum »Stall«? War bei einem wilden Abend alles aus dem Ruder gelaufen? War am Ende der Täter ein hohes Tier? Daut mochte nicht weiterdenken. Es waren ohnehin zu viele offene Fragen, sie brauchten endlich konkrete Anhaltspunkte.
    Als er nach oben blickte, sah er, dass er eben am Bezirkspostamt vorbeigelaufen war. Als inspirierte ihn das Postschild, schoss ihm ein Gedanke in den Kopf. Daut betrat das Gebäude und fragte sich bis zum Leiter dieses Postamtes durch. Der große, dürre Mann mit seinem spitzen Gesicht, das an ein Frettchen erinnerte, sah aus wie eine lebende Karikatur des deutschen Beamten. Als Daut ihm seine Dienstmarke vor die lange Nase hielt, nuschelte der Postler seinen Namen derart leise, dass er ihn nicht verstand. Ohne nachzufragen - er sah den Mann vermutlich nie wieder -, fragte er ihn nach der Künstleragentur Meyer in der Brandenburgischen Straße.
    »Kommen da viele Briefe?«
    Das Gesicht seines Gegenübers hellte sich ein wenig auf. Vermutlich war er erleichtert, dass er die Frage sofort beantworten konnte.
    »Oh ja, Herr Kommissar, sehr viele sogar. Immer an die Damen, nie an den Meyer selbst. Der Meyer hat uns sogar eine Liste gegeben, auf der alle seine Künstlerinnen aufgeführt sind, damit wir die Briefe auch richtig zustellen. Mindestens zwanzig Namen stehen da drauf.«
    Daut stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne aus, den das Frettchen mit einem unverständigen Blick quittierte.
    »Schicken Sie mir eine Abschrift in mein Büro am Werderschen Markt. Aber dalli! Mein Name ist ...«
    Der Postler unterbrach ihn freudig erregt.
    »Die Liste können Sie gleich mitnehmen. Wir haben selbst eine Abschrift angelegt. Nur für den Fall, dass etwas mit dem Original passiert. Könnte ja jemand Kaffee darauf verschütten.«
    Als er Dauts irritierten Blick sah, bemerkte der Mann, dass er dabei war, sein Amt in Misskredit zu bringen. Deshalb schob er nach:
    »Also die Abschrift ... na ja ... eben aus

Weitere Kostenlose Bücher