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Codewort Rothenburg

Codewort Rothenburg

Titel: Codewort Rothenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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er hatte einen Fall zu lösen.
    Als er in die Meineckestraße bog, wurde ihm erneut klar, in welcher feinen Gegend er sich befand. Dass es Kollegen gab, die hier residierten! Andererseits war es das passende Quartier für die Herren Spione. Die fühlten sich immer als etwas Besonderes.

    Das Haus Meineckestraße 10 stammte aus der Zeit der Jahrhundertwende. Wahrscheinlich war es einmal das Wohnhaus vornehmer Bürger gewesen. Dauts Blick fiel auf ein verwittertes, mit einem Hakenkreuz fast unkenntlich gemachtes Schild am Nachbarhaus. Mit Mühe entzifferte er, dass hier der »Jüdische Kulturbund« und ein »Palästina-Amt« untergebracht waren, von denen er noch nie gehört hatte. Welch seltsame Nachbarschaft für eine Abteilung des Reichssicherheitshauptamtes. Kopfschüttelnd betrat er das immer noch hochherrschaftliches Flair ausstrahlende Treppenhaus. Vom Portier, der gelangweilt hinter seiner Glasschreibe saß und im »Völkischen Beobachter« las, erfuhr er, dass Schwarz im dritten Stock residierte. Er überlegte einen kurzen Moment, den Aufzug zu nehmen, entschied sich aber für die Treppen. Hatte er sich nicht geschworen, sich mehr zu bewegen? Heute könnte ein guter Tag sein, damit zu beginnen. Er mäßigte sein Tempo, um nicht außer Atem zu sein, wenn er diesem Schwarz gegenübertrat.
    Die Bürotür war nur angelehnt. Daut klopft einmal und betrat das leere Vorzimmer. Im Hintergrund hörte er eine Stimme. Vermutlich telefonierte Schwarz. Als er sich in die Tür stellte, blickte der Mann auf, winkte ihn zu sich heran und beendete das Gespräch. Anschließend sprang er auf, strich sich den Rock seiner perfekt sitzenden SS-Uniform glatt und grüßte.
    »Heil Hitler, Hauptsturmführer.«
    Daut hob stumm den rechten Arm. Der Mann war ihm unsympathisch, ohne dass er den Grund benennen konnte. Lag es an der Körpergröße? Sein Gegenüber war einen Kopf kleiner als er, und Daut hatte ein tief sitzendes Vorurteil gegen kleine Männer. Oder war es das teigige, runde Gesicht, dem nicht einmal die dicke Nase eine Kontur geben konnte?
    Schwarz wies ihm schweigend einen der beiden, neben einem kleinen Rauchtisch stehenden Sessel zu und kam sofort zur Sache.
    »Wie mir zugetragen wurde, haben Sie heute die Pension Schmidt aufgesucht. Darf ich erfahren, was Sie dort herauszubekommen hofften?«
    Daut richtete sich kerzengerade in seinem Sessel auf und blickte auf sein Gegenüber hinunter. Er spielte nur ungern seinen Dienstrang aus, aber bei diesem Würstchen hier blieb ihm nichts anderes übrig.
    »Zunächst bin ich mit Fragen dran, Untersturmführer.« Das letzte Wort dehnte er etwas länger als nötig.
    »Wer hat Ihnen die Information über meinen Besuch in der Pension Schmidt zugetragen? Welches Interesse haben Sie am Fall Dora Zegg? Und was geht Sie dieser Puff überhaupt an?«
    »Ich kann verstehen, dass Sie sich diese Fragen stellen, Herr Kommissar.« Schwarz vermied, seinen SS-Dienstgrad zu gebrauchen, wie Daut zufrieden bemerkte. Eins zu null für ihn.
    »Aber ich kann Ihnen auf diese Fragen leider nicht antworten. Hier geht es um höhere Interessen.«
    Daut griff in die Jackentasche und holte ein leuchtend orangefarbenes Päckchen Ernte 23 hervor. Er wartete, bis Schwarz ihm Feuer gegeben hatte, und inhalierte einen tiefen Zug.
    »Wenn Sie nicht antworten, hören Sie auch nichts von mir.«
    Er führte die Zigarette langsam erneut zum Mund und schlug die Beine lässig übereinander.
    Als Schwarz zu sprechen begann, hatte sich die Atmosphäre gewandelt. Aus Distanz war Feindseligkeit geworden. Der SD-Mann spuckte die Worte geradezu heraus.
    »Gut, wenn Sie nicht reden wollen ... Wir wissen es ohnehin. Sie haben herausgefunden, dass Dora Zegg eine Hure war. Und dass sie im Etablissement von Frau Schmidt gearbeitet hat. Damit ist die Sache klar. Die Nutte Dora Zegg wurde umgebracht. Vielleicht von einem eifersüchtigen Geliebten, vielleicht von einem Freier, der sich betrogen fühlt. Was spielt das für eine Rolle? Eine Schmeißfliege weniger in dieser Stadt. Niemand weint ihr eine Träne nach, nicht einmal ihr Mann. Warum lassen Sie die Sache nicht einfach auf sich beruhen? Statt Ihre Energie auf die Suche nach dem Mörder dieser Hure zu richten, sollten Sie wie alle Ihre Kollegen die ehrbaren deutschen Frauen vor dem S-Bahn-Monster schützen. Meinen Sie nicht auch, das wäre sinnvoller?«
    Daut zuckte bei den letzten Worten zusammen. Warum überkam ihn das Gefühl, einem Ranghöheren gegenüberzustehen? Das

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