Codex Alera 06: Der erste Fürst
zeigte ihr, dass Macio auf sie zurannte – aber statt Windwirken einzusetzen, um sie zu verfolgen, stieß er ein Knurren aus und sprang explosionsartig hoch: Er griff auf Erdwirkerkräfte zurück, um sich in einem einzigen Satz beinahe drei Stockwerke hochzuschleudern. Die Augen unverwandt auf Amara gerichtet, versenkte er die Fingerspitzen im Stein, als wäre es weicher Ton, und begann mit erdgewirkter Stärke das Gebäude viel schneller hinaufzusteigen, als sie das vermocht hätte.
Amara erreichte das Dach kaum einen Atemzug vor Macio, blieb mit dem Bauch an der Kante hängen und mühte sich verzweifelt ab, sich ganz hinaufzuhieven.
Ein eisenharter Griff schloss sich um ihren Knöchel.
Sie sah nach unten, verzweifelt, hilflos gegenüber der Kraft von Macios umklammernder Hand – und betete, dass sie richtig geraten hatte, von welchem Gebäude vorhin die Schüsse gekommen waren. Macio fand mit einem Fuß Halt, und Amara wusste, dass sein nächster Schritt einfach darin bestehen würde, sie am Knöchel herumzuschwingen und wie eine übergroße Porzellanpuppe gegen die Wand des Gebäudes zu schmettern.
Drei Fuß unterhalb des Dachs explodierte die Wand mit dem dröhnenden Krachen von berstendem Stein nach außen. Eine Hand mit breiten Fingerknöcheln umfasste den Hals von Macios Chitinrüstung mit eisernem Griff, zog sich ruckartig zurück und riss so den Kopf des jungen Civis gegen die Wand des Hauses. Macio stieß einen einzigen erstickten Laut aus, dann schmetterte ihn die Hand, die ihn umklammert hielt, wieder und wieder gegen den Stein. Macios Finger lösten sich von Amaras Knöchel und glitten ab, und sein Blut spritzte gegen die Wand. Beim zweiten oder dritten Schlag brach sein Genick. Beim fünften gab die Wand sogar nach, und Macios Körper verschwand im Innern des Turms. Es waren noch ein paar hässliche, laute Geräusche zu hören: ein Aufprall, reißendes Fleisch und brechende Knochen.
Amara zog sich erschöpft wieder aufs Dach und lag vor Schmerz, Anstrengung und schierem Entsetzen keuchend da. Die fürchterlichen Dinge, die sie in dieser Nacht gesehen hatte, stürzten auf sie ein; plötzlich bemerkte sie, dass sie stumm schluchzte, während sie ihren Bauch umklammert hielt, als wollte sie ihn am Bersten hindern.
Bernards Hand berührte sie einen Augenblick später an der Schulter, und sie öffnete die Augen, um zu ihm hochzustarren. Ihr Mann war mit Rußflecken übersät, sein Gesicht so gut wie völlig schwarz. Eine seiner Wangen wies einen neuen Schnitt auf. Frisches Blut, Macios Blut, hatte seine Tunika, sein Gesicht und seinen Hals bespritzt. Der Staub und die Splitter zerschmetterten Steins überzogen, mit noch mehr Blut zu einer Paste vermischt, seinen rechten Arm bis zum Ellenbogen. Sein Legionsgladius hing an seiner Seite, gegenüber von einem weit aufklaffenden Kriegsköcher, und er hielt den schwerarmigen Bogen in der linken Hand.
Er hob sie mit dem linken Arm hoch und zerquetschte sie fast an seiner Brust. Amara umklammerte ihn ihrerseits und spürte seine Wärme und Kraft. »Das wurde auch Zeit«, flüsterte sie.
»Da lasse ich dich mal für eine Stunde allein, Frau«, sagte er mit zitternder Stimme, »und schon sehe ich dich mit einem jüngeren Mann herumziehen.«
Sie stieß ein ersticktes kleines Lachen aus, das in noch mehr Schluchzen überzugehen drohte, und hielt ihn noch ein paar Herzschläge lang fest. Dann stieß sie ihn sanft von sich, und er stand auf und hob sie auf die Beine. »Wir k… können nicht …«, sagte sie. »Es sind noch mehr von ihnen hier.«
Das dumpfe Dröhnen eines Feuerwirkens in der Nähe donnerte abgehackt durch die Luft. Ein langgezogenes Tosen ertönte, und eine Staubwolke begann von weiter hinten in der Stadt aufzusteigen, um sich mit Rauch und Feuer zu vermischen.
»Noch mehr Wirker, die von den Vord besessen sind?«, fragte Bernard. »Warum sind sie hier?«
»Sie machen Jagd auf die Cives«, sagte Amara. »Mindestens einer von ihnen war in der Nähe, unter einem Schleier. Er hat mich kräftig genug geschlagen, um sicherzugehen, dass der andere mich einholen konnte.«
In dem Moment ertönte das Heulen von Wind über ihnen, und zwei dunkle Gestalten huschten vorbei, während Feuerschein auf Stahl flackerte und in unregelmäßigen Abständen ein Funkenregen zwischen ihnen aufstob. Zwei weitere jagten dem ersten Paar nach und stürzten sich aus unterschiedlichen Winkeln und Höhen auf sie. Ein paar Sekunden später flammten weit oben mehrere
Weitere Kostenlose Bücher