Codex Alera 06: Der erste Fürst
standen mehr als ein Dutzend wilder Elementare und füllten einen Großteil des übrigen Platzes aus. Selbst der kleinste von ihnen war größer als ein Gargantenbulle. Da war eine aufgerollte Schlange, deren Schuppen aus Granit und Obsidian bestanden. Sie hatte einen Rücken, der breiter war als eine der großen Straßen der Stadt. Die tödliche, schmale Gestalt des Windhais, den Amara schon einmal gesehen hatte, kam als Nächstes und wirbelte immer wieder im Kreis um Attis herum. Ein Stier, der aus knotigen Wurzeln und Hartholzzweigen bestand, schnaubte und schüttelte den Kopf. Jedes seiner Hörner war länger als der Speer eines Legionare , während seine gespaltenen Hufe über den Stein des Platzes scharrten und Kerben hineingruben.
Die Luft schimmerte geradezu vor Macht und war von der Energie dieser riesigen, angriffslustigen Elementare geschwängert, so sehr, dass Amara meinte kaum noch atmen zu können. Sie starrte ein paar Sekunden lang wie betäubt hinunter. Elementare dieser Größe und Kraft waren ungemein mächtig, Wesen, die nur von den stärksten Cives des Reichs beherrscht werden konnten. Wenn irgendjemand in der Vergangenheit auch nur einen dieser Elementare gebändigt hatte, war es jemand mit dem Können und der Macht eines Hohen Fürsten gewesen.
Und Gaius Attis hielt, ganz ruhig, ein Dutzend von ihnen auf Abstand, als wären sie nur aufmüpfige Schulkinder.
Vor Amaras Augen hob er einen Arm, die Hand zur Faust geballt, in einer heranwinkenden Gebärde, wie ein Mann, der ein schweres Tau einholt. Der Elementar, der ihm direkt gegenüberstand – eine lange, eidechsenähnliche Kreatur aus schlammigem Wasser –, bäumte sich auf in scheinbar plötzlicher Todesqual und stieß ein Heulen wie von tausend kochenden Teekesseln aus. Dann zerbarst sie einfach in einzelne Wassertröpfchen, die davongetrieben wurden wie von einem Wirbelsturm – geradewegs auf Gaius Attis zu. Sein Kopf fuhr zurück, und ihm entfuhr ein leiser Schmerzensschrei. Dann wirbelte er ohne Unterbrechung zu dem Feuerelementar herum, der wie ein wandelnder, beseelter Weidenbaum geformt war, und streckte die Hand aus, so dass das Wasser des besiegten Eidechsenelementars auf den Baum zuschoss. Während Dampf aufstieg, zog Gaius Attis den Arm wieder in derselben winkenden Gebärde zu sich heran, und Dampf und Feuer sausten beide zu ihm zurück und wirbelten um ihn herum; wieder schrie er.
Mit Entsetzen wurde Amara schlagartig klar, was vorging: Gaius Attis nahm neue Elementare in Besitz.
Sie wagte es nicht, sich ihm zu nähern, nicht in diesem brodelnden Hexenkessel ungezügelter Macht. Selbst wenn Cirrus sich nicht gesträubt hätte, näher heranzufliegen, hätte sie es nicht versucht. Elementare in Besitz zu nehmen war ein gefährlicher Vorgang. Elementare von dieser Größe in Besitz zu nehmen war … eigentlich Wahnsinn. Die Energie, die von einem Elementar, der Widerstand leistete, freigesetzt wurde, konnte einen Menschen bis auf die Knochen versengen oder ihn in Fetzen reißen, und Amara verfügte nicht über Gaius Attis’ ehrfurchtgebietende Anzahl von Begabungen, um sich vor Schaden zu bewahren.
Stattdessen landete sie in der Nähe auf einem Dach, zog Cirrus an sich und schickte ihn dann aus, um ein Weitsprechen zu wirken. Das funktionierte nur direkt in Blickrichtung, und sie wusste nicht, wie sehr die Energieentladungen dort unten ihre Botschaft verzerren würden, aber ihr fiel nichts Besseres ein.
»Hoheit«, sagte sie in drängendem Ton, »wir haben die Kontrolle über den Luftbereich hier verloren. Ehemalige Cives greifen die Cives an, die noch versuchen, bei der Evakuierung zu helfen. Es ist zwingend notwendig, dass du sofort aufbrichst.«
Attis hob den Blick und suchte die nahen Dächer ab, bis er Amara entdeckte. Er verzog das Gesicht und antwortete mit vor Anstrengung schwacher Stimme: »Nur noch ein paar Augenblicke. Ich kann nicht zulassen, dass diese Wesen ungebändigt herumlaufen, Kursorin. Sie werden die ganze Gegend hier für tausend Jahre unbewohnbar machen.«
»Sei kein verdammter Narr , Hoheit«, knurrte Amara zur Antwort. »Ohne dich gibt es vielleicht bald niemanden mehr, der sie bewohnen könnte.«
Attis bleckte die Zähne, und seine dunklen Augen glommen einen Augenblick lang buchstäblich vor Feuer. »Man lässt nicht einfach alles fallen und spaziert von solch einer unerledigten Aufgabe weg, Gräfin. Vielleicht fallen dir ja die elf ziemlich großen und erzürnten Elementare auf, die gerade
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