Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
Vom Netzwerk:
wochenlang am Stück getan«, sagte Tavi.
    »Aber nicht ständig«, konterte sie. »Nur nachts, wenn er meditiert hat.«
    »Das spielt keine Rolle«, sagte Tavi. »Wenn das Eis schmilzt, dann gibt es keine Möglichkeit, es zurückzubekommen, sobald der Frühling fortschreitet. Ich muss einfach noch ein paar Stunden länger durchhalten.«
    Sie runzelte, offensichtlich unglücklich, die Stirn, widersprach ihm aber nicht.
    »Du glaubst, dass ich Fidelias’ Leben verschwende.«
    »Nein«, sagte Kitai. »Er ist da, weil er da sein wollte. Du verschwendest seinen Tod.«
    Er sah sie einen Moment lang stirnrunzelnd an, dann ging ihm auf, was sie sagen wollte. »Aha«, sagte er.
    »Er sollte die Wahl haben«, sagte Kitai. »Das immerhin schuldest du ihm.«
    Tavi beugte sich zu ihr und küsste sie sanft aufs Haar. »Ich glaube«, sagte er, »du hast vielleicht Recht.«
    Tavi ging vorsichtig über das Eis auf den Hinrichtungstrupp zu. Die Männer sammelten ihre Werkzeuge ein und machten sich bereit, aufs Schiff zurückzukehren. Als er sich näherte, salutierten sie.
    »Lasst uns allein«, sagte Tavi. Die Männer salutierten erneut und beeilten sich, zum Schiff zurückzukommen.
    Es gab eine Anzahl zulässiger Varianten der Kreuzigung, von zweckmäßigen bis hin zu äußerst sadistischen. Welche eingesetzt wurde, hing vor allem davon ab, wie viel Leid der Übeltäter nach Ansicht der Obrigkeit verdient hatte. Viele waren darauf ausgerichtet, bestimmte Elementarbegabungen im Zaum zu halten und zu umgehen.
    Für Fidelias hatten sie Stahldraht genommen.
    Er hing an den Kreuzesbalken, so dass seine Füße zwei Fuß über dem Boden baumelten. Seine Arme waren mit Dutzenden Schlingen Stahldraht an den Querbalken des Kreuzes gebunden worden. Noch mehr Draht fesselte seine Taille an den Stamm des Kreuzes. So viel Stahl neutralisierte sein Holzwirken völlig. Über der Erde zu hängen würde ihn daran hindern, Erdwirken einzusetzen. Er trug nur seine Tunika. Seine Rüstung, seine Waffen und seinen Helm hatte man ihm abgenommen.
    Fidelias litt offensichtlich Schmerzen. Sein Gesicht war bleich. Seine Augen und Wangen wirkten eingefallen, und das Grau seines Haars und seines von Bartstoppeln überzogenen Gesichts trat mehr hervor als zu jedem anderen Zeitpunkt, zu dem Tavi ihn gesehen hatte.
    Er sah alt aus.
    Und müde.
    Tavi blieb vor dem Kreuz stehen und starrte einen Moment zu ihm hinauf.
    Fidelias sah ihm in die Augen. Nach einer Weile sagte er: »Du solltest gehen. Du solltest die Flotte noch vor dem nächsten Halt einholen.«
    »Das werde ich auch«, sagte Tavi mit gesenkter Stimme, »nachdem du mir eine Frage beantwortet hast.«
    Der alte Kursor seufzte. »Welche Frage?«
    »Wie soll man sich deinem Willen nach an dich erinnern?«
    Fidelias lachte trocken und heiser auf. »Was zu den Krähen spielt es denn für eine Rolle, was ich will? Ich weiß, wofür man sich an mich erinnern wird.«
    »Beantworte die Frage, Kursor.«
    Fidelias schwieg einen Moment lang mit geschlossenen Augen. Der Wind umtoste sie kalt und gleichgültig.
    »Ich wollte nie einen Bürgerkrieg. Ich wollte nie, dass irgendjemand stirbt.«
    »Das glaube ich dir«, sagte Tavi leise. »Beantworte die Frage.«
    Fidelias hielt den Kopf weiter gesenkt. »Ich möchte, dass man sich meiner als eines Mannes erinnert, der versucht hat, dem Reich zu dienen, so gut er konnte. Der sein Leben Alera geweiht hat, wenn auch nicht seinem Herrscher.«
    Tavi nickte langsam. Dann zog er das Schwert.
    Fidelias sah nicht auf.
    Tavi ging zur Rückseite der überkreuzten Balken herum und schlug dreimal zu.
    Fidelias fiel schlagartig zu Boden, von Tavis Klinge aus den Drahtschlingen losgeschnitten. Tavi machte einen Schritt, baute sich vor Fidelias auf und starrte auf ihn hinunter.
    »Steh auf«, sagte er, immer noch leise. »Du bist zum Tode verurteilt, Fidelias ex Cursori. Aber wir befinden uns im Krieg. Wenn du stirbst, wirst du es deshalb auf nützliche Weise tun. Wenn du wirklich ein Diener des Reichs bist, habe ich einen besseren Tod für dich als diesen hier.«
    Fidelias starrte einen Moment lang zu ihm hoch, und seine Gesichtszüge verzogen sich zu etwas wie Schmerz. Dann nickte er in einem einzigen, krampfhaften Zucken.
    Tavi streckte die Hand aus, und Fidelias ergriff sie.

25

    Die Flotte gelangte im unwirklichen Licht der anbrechenden Dämmerung nach Phrygia, als der östliche Himmel gerade begonnen hatte, von Schwarz in Blau überzugehen. Sternenlicht und Mondschein auf dem

Weitere Kostenlose Bücher