Codex Alera 06: Der erste Fürst
beweisen konnten. Fürst und Fürstin Aquitania hatten es geschafft, keine tatsächlichen, unumstößlichen Beweise zu hinterlassen, die sie mit der Maratinvasion in Verbindung hätten bringen können. Niemand hatte offen davon gesprochen – solch ein Vorwurf wäre, wenn er ohne Beweis vorgebracht wurde, ein unbestreitbarer Grund für die Aquitanias gewesen, den Sprecher auf der Stelle zum Juris Macto zu fordern.
Und doch hatte Attis seine Beteiligung an der Intrige gerade eingestanden, und das vor den mächtigsten Cives des Reichs.
Doroga knurrte und nickte. Offensichtlich war er sich nicht bewusst, was er gerade getan hatte. »Viele Leute sind gestorben. Deine und meine.«
»Ja«, sagte Attis.
»Wenn Zeit dazu wäre«, sagte Doroga, »würden du und ich vielleicht deswegen streiten.«
»Zeit ist unter den Umständen ein eher knappes Gut für mich«, entgegnete Attis.
Doroga nickte. »Abgemacht. Es ist wichtiger, dass wir uns mit den Vord befassen. Aber du wirst mir versprechen, so etwas in Zukunft nicht mehr zu tun.«
Attis sah verwirrt aus. »Ja. Das verspreche ich.«
Doroga nickte und bot ihm die Hand. Attis streckte den Arm aus, und die beiden umfassten den Unterarm des jeweils anderen.
»Danke für deine Hilfe heute«, sagte Attis. »Du hast vielen meiner Leute das Leben gerettet.«
»Das machen gute Nachbarn so«, sagte Doroga. »Vielleicht hat das den Aleranern nie jemand beigebracht.«
»Sehr gut möglich«, sagte Attis, um dessen Lippen noch immer ein Lächeln spielte. »Ich muss dich fragen, ob noch weitere deiner Leute willens sein könnten, uns zu helfen.«
Doroga brummte. »Ich habe gerufen. Wir werden ja sehen, wer antwortet. Aber meine Clanangehörigen und ich sind hier. Wir halten zu euch.«
Der Princeps nickte. »Ich heiße euch willkommen.«
»Du wärst auch ein Narr, wenn du es nicht tätest«, sagte Doroga. »Wenn das hier erledigt ist, werden du und ich darüber reden, wie wir die Waagschalen ausgleichen.«
»Ich würde mit Freuden darüber verhandeln«, sagte Attis.
Doroga brummte erneut, und seinem Gesicht war leichtes Erstaunen anzumerken. »Gut. In Ordnung.«
»Ich glaube, wir sollten anfangen«, sagte der Princeps.
Doroga verschränkte die Arme vor der Brust, nickte Attis zu und spazierte zu Amara und Bernard zurück.
»Cives, Senatoren, Hauptleute«, sagte Attis mit erhobener Stimme. »Schenkt mir bitte eure Aufmerksamkeit. Wir werden die Verteidigung des Tals besprechen. Unser Gastgeber, der höchst weitsichtige Graf Calderon, wird euch seine Festungsbauten beschreiben.«
Bernard sah Amara an und deutete verärgert auf seinen Kiefer.
»Ah«, sagte sie. »Hoheit, mein Mann hat sich am Kiefer verletzt, so dass es ihm schwerfallen wird zu sprechen. Mit deiner Erlaubnis werde ich alle kurz über unsere Wehranlagen unterrichten.«
»Liebend gern«, sagte der Princeps.
Amara trat vor und auf die Estrade mit dem Sandtisch. Alle versammelten sich darum und sahen hin. »Wie ihr sehen könnt«, sagte Amara, »ist das Calderon-Tal durch die neuen Mauern in drei getrennte Teilbereiche untergliedert. Wir befinden uns im Augenblick unmittelbar hinter der westlichsten Mauer. Sie ist bei weitem die längste und niedrigste und erstreckt sich auf einer Länge von etwa fünf Meilen von den Klippen bis zum Ufer des Eismeers und ist im Durchschnitt zehn Fuß hoch. Die zweite Mauer liegt ungefähr zwanzig Meilen von hier entfernt. Sie ist knapp über drei Meilen lang und verläuft von diesem Vorsprung des Steilhangs bis ans Meer. Sie ist in der üblichen Bauweise zwanzig Fuß hoch errichtet und weist alle halbe Meile ein von Türmen flankiertes Tor auf. Das letzte Verteidigungsbollwerk liegt hier, am äußersten Ende des Tals, und schützt die Stadt Kaserna und die Lager der Flüchtlinge, die schon dort eingetroffen sind.«
»Ich wüsste gern«, unterbrach Senator Valerius, »wie ein Graf des Reichs es fertiggebracht hat, all diese Baumaßnahmen zu bezahlen – und dann auch noch zu verheimlichen, dass sie überhaupt vorhanden sind.«
»Mit viel Unterstützung, Senator«, antwortete Amara ruhig. »Die Mauerabschnitte in Sichtweite dieser Dammstraße wurden erst vor wenigen Tagen hochgezogen. Der Rest ist nicht bemerkt worden, weil reichlich Tarnung eingesetzt wurde, um sie vor den Blicken von Fliegern zu schützen, und weil nur wenige Besucher des Tals weit von der Dammstraße abweichen.«
»Es kommt mir nur seltsam vor«, sagte Valerius, »das ist alles. Solch ein Bauvorhaben muss
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