Codex Alera 06: Der erste Fürst
ist das ein Wunder.«
»Der Nachmittag und der Abend werden lang«, knurrte Bernard. »Das bringt das Fass zum Überlaufen! Wir können nicht nach dem Plan verfahren, den wir haben, um die Mauern so lange zu halten.« Er blickte nach Westen hinaus, als ob er sich den anrückenden Feind vorstellte. »Ich muss mit Doroga sprechen. Liebste, bitte unterrichte den Princeps von allem und frage ihn, ob er irgendwelche Vorschläge hat.«
Im Norden flammte ein leuchtend grüner Signalpfeil im Aufsteigen auf und fiel dann langsam durch die Luft. Einen Moment später folgten weitere Pfeile sowohl im Norden als auch im Süden.
»Sie sind hier«, hauchte Amara.
Bernard knurrte. »Setzt euch in Bewegung. Giraldi, lass zum Sammeln blasen. Sorgen wir dafür, dass wir bereit sind, uns mit diesen Dingern auseinanderzusetzen. Schick Läufer zu den Katapultstellungen und gib die Nachricht weiter – ladet die Onager.«
Giraldi schlug sich mit der Faust auf die Rüstung und marschierte davon, wobei er Befehle in einer Lautstärke brüllte, die eine Meile weit zu hören war.
Bernard und Amara berührten einander kurz an der Hand und wandten sich dann beide ihren jeweiligen Aufgaben zu.
Amara eilte zum Kommandoposten in der großen Halle. Ihre Türen waren schwer bewacht, allerdings von einem ganz anderen Trupp Männer. Einer von ihnen rief sie an, und sie antwortete ihm etwas kurz angebunden. Die Fänger der Vord waren auf ihre Art tödlich, aber sie konnten nicht bewirken, dass die Körper, die von ihnen besessen waren, eine verständliche Sprache hervorbrachten. Amara hatte im aleranischen Kriegsrat eine so hohe Stellung inne, dass die Frage im Grunde nur eine Formalität war, um sich zu vergewissern, dass sie nicht besessen war.
Sie betrat die Halle, ein sehr großes Gebäude, das an beiden Enden Kamine hatte, die groß genug waren, um über dem Feuer ein ganzes Rind am Spieß zu braten. Am gegenüberliegenden Ende der Halle war der Kamin mit Tüchern verhängt. Zwei weitere Wachsoldaten standen vor der behelfsmäßigen Schlafkammer. Amara schritt zu ihnen hinüber und sagte: »Ich habe eine Mitteilung für den Princeps, die nicht warten kann.«
Der größere der beiden Soldaten neigte den Kopf. »Einen Augenblick.« Er verschwand in der Kammer, und Amara hörte Stimmen. Dann kam er wieder heraus und hielt ihr den Vorhang auf.
Amara schlüpfte hinein und wurde von einer Woge unangenehmer Hitze empfangen. Die Flammen in dem riesigen Kamin loderten höher, als sie groß war. Ein Bett stand neben dem Feuer, und Attis lag mit sogar noch blasserem und verzerrterem Gesicht als zuvor darin. Er wandte ihr matt den Kopf zu, hustete und sagte: »Komm herein, Gräfin.«
Sie trat auf ihn zu und salutierte. »Hoheit, wir stecken in Schwierigkeiten.«
Er legte den Kopf schief.
»Die Evakuierung geht zu langsam voran. Wir haben immer noch eine Horde von Zivilisten westlich der Mauern von Kaserna. Unsere Leute schätzen, dass es bis Mitternacht dauern könnte, sie alle hereinzuholen.«
»Hmj«, ächzte Attis.
»Außerdem«, sagte sie, »ist es den Vord irgendwie gelungen, einen Fluss in die Kohlenebene umzuleiten. Das Feuer hat sie für weniger als eine Stunde aufgehalten. Sie sind beim Vorrücken auf diese Mauer gesichtet worden. Signalpfeile steigen überall auf.«
»Ein Unglück kommt selten allein«, seufzte Attis. Er schloss die Augen. »Nun gut. Deine Empfehlung, Gräfin?«
»Uns weiter an den Plan zu halten, ihn aber zu verlangsamen«, sagte sie. »Die Onager einzusetzen, um sie zu zermürben, statt um Schrecken zu verbreiten. Die Mauer zu halten, bis die Zivilisten in Sicherheit sind, und dann den Kampf abzubrechen.«
»In der Dunkelheit?«, fragte er. »Hast du eine Ahnung, was für ein gefährliches Vorgehen das ist? Der kleinste Fehler könnte zu einer vernichtenden Niederlage führen.«
»Bitte Doroga und seinen Clan, sie eine Weile aufzuhalten, um den Rückzug zu decken«, antwortete sie. »Ihre Garganten sind die geborenen Vordtöter, und sie sind schnell genug, um auf dem Rückweg hinunter nach Kaserna einen Vorsprung vor dem Feind zu wahren.«
Attis dachte einen Augenblick darüber nach und nickte dann langsam. »Das ist wahrscheinlich das Beste, was wir unter diesen Umständen erreichen können. Setze es in die Tat um, Gräfin – wenn nötig unter Berufung auf meine Vollmacht.«
»Ja, Hoheit.«
Er schloss müde die eingefallenen Augen.
Amara musterte ihn stirnrunzelnd und sah sich in der Kammer um. »Hoheit?
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