Codex Alera 06: Der erste Fürst
sollten es die Krähen holen, wenn Fidelias selbst nicht zu diesen Menschen gehörte. Der starrköpfige Wahnsinnige würde wahrscheinlich irgendeine Möglichkeit entdecken, um sie alle auf der anderen Seite wieder hinauszulotsen, behängt mit den Ringen und Kronen eines aufgefressenen Schatzschiffs, und irgendwie unbeschadet aus der Sache hervorgehen.
»Ich könnte die Legion und die Canim nicht anführen«, sagte Fidelias leise. »Nicht allein. Aber … wenn du Varg deinen Willen deutlich machen würdest, dann könnte Valiar Marcus Crassus als Ratgeber dienen, als sein Jagdführer. Varg würde ihm in dem Fall die Chance geben, sich selbst zu beweisen. Und ich würde ihn so gut anleiten, wie ich kann.«
»Du kennst die Canim«, sagte Octavian. »Besser als irgendjemand sonst, den ich kenne.« Seine Augen funkelten. »Du hast Zeit mit Sha verbracht, soweit ich weiß.«
»Ich habe den Cane getroffen«, sagte Fidelias ruhig. »Er kam mir sehr fachmännisch vor.«
»Und hast du je Khral kennengelernt?«
»Ich glaube nicht, dass meine Pflichten als Erster Speer je zu einer Begegnung zwischen uns geführt haben, mein Fürst.«
»Oh«, sagte Octavian und lächelte plötzlich. »Sehr geschmeidig.«
Fidelias neigte den Kopf. Einer seiner Mundwinkel zuckte vor Erheiterung.
Der Princeps wandte sich ihm zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Danke, Marcus.«
Fidelias senkte den Blick. »Mein Fürst …«
»Ganz gleich, was du sonst getan hast«, sagte Octavian leise, »ich habe dich gesehen . Ich habe dir mein Leben anvertraut, und du mir deines. Ich habe dich unermüdlich arbeiten sehen, um der Ersten Aleranischen Legion zu dienen. Ich habe gesehen, wie du dich mit Leib und Seele der Legion – deinen Männern – aufgeopfert hast. Ich weigere mich, den Gedanken, dass das alles eine List war, auch nur in Erwägung zu ziehen.«
Fidelias sah beiseite. »Das spielt kaum eine Rolle, Hauptmann.«
»Es spielt eine Rolle, wenn ich sage , dass es das tut«, knurrte Octavian. »Die Krähen sollen mich holen. Wenn ich Erster Fürst werden sollte, werden wir das vom ersten Moment an klarstel …«
Das Erdwirken huschte so schnell und behutsam unter Fidelias hindurch, dass es ihm kaum auffiel. Er erstarrte und kniff die Augen zusammen, während er sein eigenes Bewusstsein in den Boden unter ihnen ausgreifen ließ.
Ein zweites huschte unter ihm vorbei. Und ein drittes.
Sie waren alle auf dem Weg in dieselbe Richtung – zum Kommandozelt in der Mitte des Lagers.
»… und wenn ich jeden Schädel im Senat einschlagen muss, um …« Octavian runzelte die Stirn. »Marcus?«
Fidelias Hand schoss an seine Seite, wo sein Schwert sich gewöhnlich befunden hätte. Es war natürlich nicht da. »Hauptmann«, sagte er gepresst, »jetzt, in diesem Augenblick, kommen Erdwirker unter uns vorbei.«
Octavian blinzelte. Der junge Mann mochte ja mächtig sein, aber er verfügte nicht über die Feinfühligkeit und das Bewusstsein, die man nur aus jahrzehntelanger Erfahrung gewinnen konnte. Er hatte nichts gespürt. Als er jedoch selbst für einen Augenblick die Augen geschlossen hatte, stieß er einen derben Fluch aus. »Freunde würden nie versuchen, so ins Lager vorzudringen. Die Vord hatten eine ganze Anzahl von Cives unter ihrer Kontrolle.«
»Ja.«
»Dann können wir keine Legionares gegen sie senden. Das würde ein Blutbad geben.« Er spürte den Erdwirkern noch für einen Augenblick nach und öffnete dann die Augen. »Sie sind auf dem Weg zum Kommandozelt«, sagte er knapp. Nur seine Augen verrieten Anspannung. »Kitai ist dort.«
»Geh«, sagte Fidelias. »Ich bringe dir die Pisces.«
»Tu das«, stieß Octavian hervor, machte schon, bevor er zu sprechen aufgehört hatte, einen einzigen Sprung in die Luft und hechtete auf einer tosenden Windböe davon. Binnen eines weiteren Herzschlags hatte er das Schwert gezogen, und sein weißglühendes, zorniges Feuer loderte von der Klinge auf.
Fidelias wandte sich um und rannte zur Mitte des Lagers. Unterwegs begann er Befehle zu brüllen, die sogar das Heulen von Octavians monströsem Windstrom übertönten.
Er hätte so etwas in seinem Alter nicht mehr unbedingt tun sollen, aber er versuchte, vor allem die guten Seiten zu sehen: Wenigstens rannte er nicht in voller Rüstung. Und – dank sei den großen Elementaren! – der Princeps hatte Fidelias nicht mitfliegen lassen. Trotzdem bemerkte ein Teil von Fidelias mit einer gewissen Erheiterung, dass er Gaius Octavian nicht
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