Codex Alera 06: Der erste Fürst
Bernard. »Sie müssen einfach nur herkommen und auf uns fallen .«
»Oje«, sagte Ehren.
»Wir müssen sie aufhalten«, flüsterte Bernard. »Sie bremsen. Wenn wir sie nicht langsamer machen können …« Er schüttelte sich. »Giraldi. Sag Cereus, dass er seine Truppen auf der nördlichen Klippe zusammenziehen soll. Er soll die Bäume in Brand stecken und Steinstacheln wirken, um ihre Füße zu verletzen – alles, was ihm einfällt. Sie töten, wenn er kann, aber er muss diesen Koloss unter allen Umständen verlangsamen .«
»Zu Befehl, Graf!«, erwiderte Giraldi schneidig und ging daran, Bernards Anweisungen auszuführen.
»Sie verlangsamen?«, fragte Ehren verblüfft. »Nicht töten?«
»Es wird schlimmer, wenn sie gleichzeitig eintreffen. Und sie sind zu schwer gepanzert – und einfach so krähenverflucht groß – dass ich nicht sicher bin, ob wir sie überhaupt töten können «, antwortete Bernard. »Aber ich glaube, wir müssen einfach nur ein bisschen länger durchhalten.«
»Warum?«, fragte Ehren blinzelnd. »Was für einen Unterschied macht es denn schon, ob sie in einer halben Stunde hier ankommen oder in zehn Minuten?«
»Ritter Ehren«, sagte Calderon, »ganz wie bei deinem eigenen Tod ist hier nicht alles, wie es scheint.«
49
Gaius Octavians Heer saß am Ausgang des Calderon-Tals ab, sehr zur Erleichterung der Reiter wie der Träger. Fidelias beobachtete gedankenverloren den ganzen Vorgang. Inwiefern hätte sich die Rolle der Kavallerie verändert, wären Pferde in der Lage gewesen zu sprechen?
Und Schwerter zu ziehen.
Und ihre Reiter aufzufressen.
Er vermutete, dass es dann wohl deutlich weniger Hin und Her gegeben hätte.
Fidelias schüttelte den Kopf und begann, sich auf die anstehende Aufgabe zu konzentrieren. Solche abschweifenden Gedanken waren vermutlich nur natürlich angesichts der Erschöpfung und ihres so gut wie sicheren Todes, aber sie würden ihm nicht helfen, die Mission auszuführen.
Der Hauptmann kam aus einem nahen Waldstück auf seinem großen Rappen angeritten, gefolgt von seinen Singulares , die etwas Abstand hielten. Obwohl die Bäume eine Viertelmeile entfernt waren, hatte er darauf bestanden. Es war schließlich völlig unangemessen, dass die Legionen mitansahen, wie ihr Princeps gezwungen war, einem dringenden Bedürfnis nachzugeben.
Fidelias schwang sich von seinem eigenen Pferd hinunter und ging zum Hauptmann hinüber.
»… weiß, dass ihr es nicht gewohnt seid, diese Rolle zu spielen«, sagte Octavian gerade zu zwei jungen Männern – einem Kavalleriezenturio namens Quartus und Ritter Callum von den Rittern der Ersten Aleranischen. Die beiden waren in der Legion jeweils die rechte Hand von Maximus und Crassus. »Aber ihr seid gut ausgebildet«, fuhr Octavian fort, »ihr werdet eure Sache ordentlich machen.«
Beide junge Männer antworteten bestätigend und versuchten, wie Fidelias auffiel, zuversichtlicher auszusehen, als sie sich fühlten. Aber genau das tat der Hauptmann ja selbst. Er war nur weitaus besser darin als die anderen beiden. Es sagte auch etwas über ihn aus, dass er selbst hier, vor dem letzten Gefecht, alles so geregelt hatte, dass ihm noch ein Moment Zeit blieb, ihnen Mut zuzusprechen, bevor die restlichen Befehlshaber des Heers eintrafen.
Es dauerte nur einige Augenblicke, bis der Kommandostab beider Legionen sie erreichte, zusammen mit Varg, Nasaug und Meister Marok in seinem Vordchitinumhang. Zu Fidelias’ Überraschung war auch Sha dabei, in Jägergrau gekleidet. Er trottete in Vargs Schatten mit.
»Meine Herren«, sagte Octavian. Es gab kein Gemurmel, das erst zum Erliegen hätte kommen müssen – alle waren müde, obwohl man es den Canim nicht ansah. Ihr Fell wirkte einfach etwas schlaffer als gewöhnlich. »Kommen wir gleich zum Wesentlichen. Zweieinhalb Millionen Feinde drängen sich auf den nächsten fünfzig Meilen. Also keine Sorge, es gibt reichlich Vord für alle!«
Dröhnendes Gelächter durchlief die Gruppe. Nasaug wirkte erheitert, Varg hingegen nicht. Varg blickte geduldig drein.
»Kaserna liegt ungefähr fünfzig Meilen von hier entfernt an der Dammstraße. Sie haben immer noch fast hundertfünfzigtausend Legionares und dazu die Unterstützung von hunderttausend Marat.«
»Das ist nicht genug, um den Vord direkt entgegenzutreten«, sagte Nasaug mit seiner tiefen, volltönenden Stimme.
»Nein«, sagte Octavian, »das ist es nicht. Aber irgendwo zwischen hier und Kaserna hält sich die Vordkönigin auf.
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