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Codex Alera 06: Der erste Fürst

Codex Alera 06: Der erste Fürst

Titel: Codex Alera 06: Der erste Fürst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim Butcher
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daraufstemmte. Er mühte sich mit elementargewirkter Kraft ab, den Bogen so weit zu biegen, dass er die Sehne einlegen konnte, die eher einem fingerdicken Tau glich.
    Calderon ließ den Bogen vorsichtig los und atmete kräftig aus. Die Adern an seinem Hals waren geschwollen, und sein Gesicht war rot vor Anstrengung. Ehren sah sich nervös um, während Graf Calderon die Waffe bereit machte.
    Die Schlacht an der äußeren Mauer verlief immer noch günstig, soweit man das von einer Schlacht behaupten konnte: Die Legionares hielten stand. Der Kampf auf der nördlichen Klippe hatte den Vordkoloss deutlich gebremst. Cereus und die Cives, die er anführte, hatten die monströse Bestie immer wieder mit allen nur erdenklichen Arten des Elementarwirkens angegriffen.
    Große Flächen seiner Chitinhülle waren schon weggebrannt. Bäume wankten und neigten sich, schlugen mit ihren Ästen um sich wie mit gewaltigen Keulen, aber der schwarze Chitinpanzer schien die Hiebe bereitwillig abzufangen. Dornen erhoben sich aus dem Boden, um die Füße des Vord zu durchstoßen, aber die Bestie hatte begonnen zu schlurfen und zermalmte die Steindornen, bevor sie eindringen konnten – und jeder, der nahe genug an die riesige Kreatur herankam, um zu versuchen, einen Stachel unter einem der fest aufgesetzten Füße des Ungeheuers hervorwachsen zu lassen, wurde brutal von den Vord, die es beschützten, angegriffen.
    Obwohl er aus mehreren Dutzend Wunden blutete, war der Vordkoloss nicht getötet, sondern nur in seiner Vorwärtsbewegung verlangsamt worden, und die Elementarwirker, die gegen die Bestie anarbeiteten, wurden langsam müde. Es war eine unglaublich widerstandsfähige Kreatur, und das nicht nur aufgrund ihrer Größe. Trotz des massiven Elementarwirkens, das gegen sie eingesetzt wurde, zog sie einfach die Schultern hoch, bis die Kraftaufwallungen schwächer wurden, und machte dann einen weiteren Riesenschritt vorwärts. Aber eines war immerhin erreicht worden: Die Cives hatten das Wesen für den Augenblick aufgehalten und den Gedanken an einen gleichzeitigen Angriff von beiden Seiten unmöglich gemacht.
    Auf der Südklippe war der Vordkoloss nicht einmal gebremst worden. Binnen weniger Augenblicke würde er an der richtigen Stelle sein, um abzustürzen und die äußeren Mauern zu zermalmen, wodurch er zugleich eine Bresche in die Verteidigung schlagen und eine Rampe aus Fleisch bilden würde, über die die Vordfangschrecken eindringen konnten.
    Bernard schulterte den Kriegsköcher mit einer Geste, die Ehren wie ein Ritual vorkam, etwas, das der Graf schon so oft geübt hatte, dass er sich wahrscheinlich gar nicht bewusst war, dass er es tat. Graf Calderon griff nach oben und suchte einen einzelnen Pfeil aus. Seine Spitze war seltsam schwer, ein Satz aus vier Stahlklingen, der Ehren eher an eine Harpune als an sonst irgendetwas erinnerte. Erst im letzten Moment bemerkte er die Kugel aus funkelndem schwarzen Glas, die zwischen den Stahlklingen saß wie ein Edelstein in seiner Fassung.
    Bernard starrte zu dem nächststehenden Vordkoloss hinauf, dem auf der südlichen Klippe. Wie beide Tiere es seit ihrem Erscheinen in gewissen Abständen getan hatten, stieß der Vordkoloss gerade sein gewaltiges, markerschütterndes Bassbrüllen aus.
    »Der Herdentöterclan«, seufzte Bernard. »Diese Narren haben nie gelernt, sich aus einem Kampf herauszuhalten, den sie nicht gewinnen können.«
    Ehren beobachtete, wie die Barbaren den Vordkoloss angriffen, Speere auf seinen Bauch schleuderten und hochsprangen, um seine lebenswichtigen Organe zu treffen, während ihre Vögel sich mit den Krallen mehrere Schritte an seinen Beinen emporarbeiteten und ohne spürbare Wirkung hackten und zerrten. Vielleicht hätten sie die große Bestie irgendwann zerknabbert, wenn sie eine Woche Zeit gehabt hätten – aber die hatten sie nicht.
    »Du solltest vielleicht lieber ein Stück zurückweichen, Ritter Ehren«, sagte Bernard und schwenkte den Pfeil. »Ich bin mir nicht ganz sicher, ob dieses Ding nicht in der Sekunde explodiert, in der ich die Sehne loslasse.«
    Ehren schluckte und wich ein paar Schritte zurück. »Ich … verstehe.«
    »Noch ein bisschen«, sagte Bernard.
    Ehren ging zwanzig Fuß weit bis zur gegenüberliegenden Seite des Balkons der Zitadelle.
    »Ich nehme an, das muss reichen«, sagte Bernard. Er legte den Pfeil an die Sehne des großen Bogens, wandte sich dem Vordkoloss zu und wartete.
    »Das ist … ein weiter Schuss«, bemerkte Ehren.

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