Codex Alera 06: Der erste Fürst
nicht – noch nicht! – alle Einzelheiten gesammelt, aber es sprach deutlich aus seinem Gebaren, seinen Taten, seinen Worten.
Er wusste genug.
Einen Moment lang verspürte Fidelias den wahnsinnigen Impuls, etwas zu versuchen, das ihm in seinem Leben selten nützlich erschienen war: Er dachte daran, dem alten Kursor die Wahrheit zu sagen. Was auch geschah, danach würde zumindest die Ungewissheit verschwunden sein.
Er öffnete den Mund. Fidelias bemerkte aus einer Art verwirrter Distanz, dass er sich eigentlich nicht bewusst dazu entschlossen hatte zu sprechen. Aber ein Teil von ihm – wahrscheinlich dieser Marcus in ihm – war einfach ohne seine Zustimmung vorgeprescht.
Er sagte: »Magnus, wir sollten reden.«
Und dann brachen die Vord aus den dichter werdenden Schatten hervor.
Es waren drei, die sich geduckt und schnell über den Boden bewegten. Es waren lange Tiere, mit sechs Beinen an schlanken, geschmeidigen Körpern, die dünnen, um sich schlagenden Schwänze hinter sich ausgestreckt. Sie waren von kleinen Schuppen aus blauem Chitin bedeckt, die glänzten und funkelten, als sie das blutige Licht der sterbenden Sonne widerspiegelten. Fidelias hatte einen Augenblick Zeit, um wahrzunehmen, dass sie sich wie Garim bewegten, die großen Echsen aus den südlichen Sümpfen – dann geriet er in Bewegung.
Sein Gladius war so gut wie nutzlos. Also griff er mithilfe von Vamma, seinem Erdelementar, nach den unerschütterlichen Knochen des alten Bergs unter sich und zog Kraft aus ihnen. Er packte einen dicken Holzpfosten, der bereitlag, um als Teil der Palisade in die Erde versenkt zu werden. Fidelias wirbelte zum nächststehenden Vord herum und bewegte den schweren Pfahl in einem senkrechten Bogen auf und ab, wie ein Mann, der eine Axt führt. Das Holzstück musste achtzig Pfund wiegen, aber er schwang es so mühelos, wie ein Kind einen Spazierstock geschwungen hätte, und traf das vorderste Vord mit fürchterlicher, zermalmender Kraft. Grünbraunes Blut spritzte überallhin und besprenkelte sowohl Fidelias als auch Magnus.
Der Pfahl brach in zwei Hälften, so dass ein Ende plötzlich eine Masse aus Splittern und scharfen Kanten war. Fidelias wandte sich dem nächsten Vord zu und stieß mit diesem Ende zu wie mit einer Speerspitze. Der Rückstoß des Aufpralls schoss ihm schmerzhaft durch Arme und Schultern, und obwohl Vammas Einfluss ihn stützte, wurde Fidelias hintenüber von den Beinen gerissen, als der Pfosten unter der Belastung zerbrach. Er stürzte schwer. Das getroffene Vord schlug wild um sich und starb, während ihm mehrere Holzstücke, die zu groß und so entsetzlich spitz waren, um mit Recht noch als Splitter bezeichnet zu werden, aus dem Hinterkopf ragten.
Dann stürzte sich das dritte Vord auf ihn.
Seine Zähne drangen Fidelias in den Unterschenkel und bissen mit entsetzlicher Kraft zu. Er hörte sein Bein brechen, aber die Kiefer des Dings hatten derart viel Kraft, dass jedes Gefühl daraus verschwand. Der Schwanz schlug nach vorn, und Fidelias wehrte sich, wobei seine elementarverstärkte Kraft es ihm ermöglichte, das Vord herumzuwirbeln, bevor es sich mit Klauen oder Schwanz an ihm festklammern oder auch nur fest auf alle sechs krallenbewehrten Beine stellen konnte. Es verfügte über unglaubliche körperliche Stärke. Wenn es die Füße sicher aufsetzen konnte, würde es Fidelias das Bein einfach am Knie abreißen.
Plötzlich schlang sich der lange, schlanke Schwanz des Vord wie eine Peitschenschnur um seinen Oberschenkel, und Fidelias erkannte in einem Augenblick eisigen Entsetzens, dass Hunderte winziger, scharfer Erhebungen wie Zähne plötzlich auf ganzer Länge des Schwanzes ausgefahren waren. Das Vord würde einfach seinen Schwanz mit einem Ruck wieder lösen und dabei die Oberschenkelmuskeln in einer langen Spirale bis auf den Knochen aufschlitzen, als würde man Fleisch von einem Schinken abschaben.
Magnus schrie schrill auf und ließ seinen Gladius herabfahren. Obwohl die Arme des alten Mannes mager waren, wurden sie von der Kraft seines eigenen Erdwirkens unterstützt, und das berühmte Schwert der Legionen hackte dem Vord den Schwanz am Ansatz ab.
Das Vord ließ Fidelias los und wirbelte mit nervenzerrender Schnelligkeit und Zielgenauigkeit zu Magnus herum. Der alte Kursor brach unter seinem Gewicht zusammen.
Fidelias kämpfte sich wieder hoch und sah, dass Magnus mit beiden Händen die Kiefer des Vord von seinem Gesicht fernhielt. Magnus war kein so starker Erdwirker
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