Codex Alera 06: Der erste Fürst
den einsamen Pavillon zu. Die Wachen, die in loser Reihe vierzig Schritt hügelabwärts aufgestellt waren, weil Magnus darauf bestanden hatte, um auf ein mögliches neuerliches Eindringen der Vord vorbereitet zu sein, begannen, Losungsworte mit dem Boten zu tauschen, dessen Stimme schrill vor Aufregung war.
Tavi stöhnte auf und lehnte die Stirn einen Moment lang an Kitais … Kleid. »Natürlich. Ausgerechnet jetzt.«
Kitai stieß ein leises, boshaftes Lachen aus und sagte: »Wir könnten einfach weitermachen, wenn du möchtest.«
»Verfluchte Krähen, nein«, sagte Tavi und wurde schon wieder rot. Er stand auf, hob sie dabei hoch und stellte sie sacht auf die Beine. »Sehe ich passabel aus?«
Sie reckte sich zu ihm und leckte ihm mit funkelnden Augen den Mundwinkel, bevor sie ihn mit einer Serviette abwischte. Sie zog seine Ausgehtunika ein wenig zurecht und sagte: »Du siehst höchst anständig aus, Fürst Octavian.«
Er knurrte etwas im Sinne von »Töte nicht den Boten« in seinen Bart und ging los, um eine der Zeltbahnen beiseitezuziehen, die das Innere des Pavillons abschirmten. Ein Legionsbursche eilte an der Seite eines Boten in der Rüstung eines Soldaten der antillanischen Miliz bergauf. Der Antillaner marschierte den Hügel im ganz regelmäßigen Schritt eines erfahrenen Legionare herauf, blieb vor Tavi stehen und salutierte schneidig. »Hoheit.«
Tavi erwiderte den Gruß. Der Bote war ein hochrangiger Zenturio der Streitmacht, die die Stadt verteidigte. Er war für diese Aufgabe aus dem Ruhestand zurückgekehrt und näher an den Fünfzigern als an den Vierzigern. »Zenturio … Ramus, nicht wahr?«
Der Mann lächelte und nickte. »So ist es, Hauptmann.«
»Meldung.«
»Seneschall Vanorius lässt dir seine Grüße bestellen, Hauptmann. Es gibt Nachrichten aus Riva.«
Tavi zog die Augenbrauen hoch. »Eine Wassersendung?«
»Ja, Haupt…« Der Blick des Zenturio war an Tavi vorbeigehuscht, und die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Er hustete kräftig, neigte den Kopf und salutierte dann noch einmal. »Äh … Bitte entschuldige die Störung, verehrte Botschafterin.«
Tavi sah sich um, nur um sicherzugehen, dass Kitai das Kleid noch anhatte. Hatte sie; aber bei ihr konnte man ja nie wissen. Er konnte es Ramus dennoch nicht verdenken, dass er ins Stocken geraten war. Sie sah umwerfend aus.
»Nachrichten aus Riva, Zenturio?«, hakte Tavi nach.
»Ja, Hauptmann«, sagte der Mann. »Fürst Aquitania berichtet, dass die Stadt angegriffen wird.«
Tavi zog eine Augenbraue hoch, ließ sich die Überraschung aber ansonsten nicht anmerken. »Wirklich?«
»Wie?«, fragte Kitai scharf.
»Die Nachricht war nicht lang, Hauptmann«, antwortete der Zenturio. »Fürst Vanorius lässt dir ausrichten, dass irgendein Eingreifen die Botschaft unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen hat. Nur, dass Aquitanius mit Gesicht und Stimme erschien und irgendwie den Bann umgangen hatte, den die Vord bis, äh, vor kurzem gegen Wassersendungen aufrechterhalten haben, Hoheit.«
»Nun denn«, sagte Tavi. Er holte tief Atem und warf Kitai über die Schulter einen scharfen Blick zu.
Sie nickte und zog sich schon einen dunklen Reiseumhang über. »Ich spreche sofort mit ihr.«
»Danke«, sagte Tavi. Als Kitai ging, sagte er zu Ramus: »Zenturio, bestell dem Seneschall bitte meine Grüße und unterrichte ihn, dass unsere Abreisepläne gerade um sechsunddreißig Stunden vorverlegt worden sind. Ich setze die Truppen heute Nacht in Bewegung. Die Stadt muss darauf vorbereitet sein, die Auxiliare und Flüchtlinge etwas schneller als erwartet aufzunehmen.«
»Ja, Hauptmann«, sagte Ramus, aber seine Augen waren hart vor Argwohn.
Tavi musterte ihn. Ramus war nur ein einziger Mann – aber er war die Art Mann, auf die andere Legionares hörten. Die Antillaner und Canim würden in schrecklich gefährlicher Nähe allein miteinander zurückgelassen werden. Das war eine Gelegenheit, einen nützlichen Samen zu pflanzen, einen, den er im Laufe der letzten Tage so oft wie möglich ausgesät hatte. »Zenturio«, sagte Tavi, »ich würde es zu schätzen wissen, wenn du offen sprichst.«
»Es sind Canim , Hoheit«, stieß der Legionare hervor. »Sie sind Tiere. Ich habe während meiner Legionszeit gegen ihre Plünderer gekämpft. Ich habe gesehen, was sie uns antun.«
Tavi dachte einen Moment lang über seine Antwort nach, bevor er sie gab. »Ich könnte sagen, dass die Legionen tagtäglich Tiere im Krieg einsetzen, Ramus«,
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