Codex Alera 06: Der erste Fürst
schlug sie vor. »Hilfsbereit?«
»… ersetzlich halte«, schloss er.
Bei diesen Worten hob sie die Augenbrauen. Sie vollführte dieselbe Geste wie er vorhin und ließ die Hand kreisen, damit er fortfuhr.
»Ich kann dich nicht verlieren«, sagte er leise, »das kann ich einfach nicht. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich in der Lage bin, dich zu beschützen. Ich bin mir nicht sicher, ob irgendjemand das kann.«
Kitai starrte ihn einen Moment lang ausdruckslos an. Dann presste sie die Lippen aufeinander, schüttelte den Kopf und stand auf. Sie ging mit demselben strengen Gesichtsausdruck um den Tisch herum, aber erst, als sie neben Tavis Stuhl stand, wurde ihm bewusst, dass sie vor unterdrücktem Gelächter zitterte.
Sie schob sich geschmeidig auf seinen Schoß, wunderschön in ihrem grünen Kleid, schlang die blassen Arme um seinen Hals und küsste ihn gründlich, während er spürte, wie sie weiter leise in sich hineinlachte. Als sie sich endlich nach mehreren Augenblicken zurückzog, legte sie ihm die fiebrig heißen Hände von beiden Seiten ans Gesicht und sah voller Zuneigung auf ihn herunter.
»Mein Aleraner«, sagte sie in liebevollem Ton. »Du Narr.«
Er blinzelte sie an.
»Wird dir erst jetzt bewusst, dass Mächte, die größer als wir sind, uns auseinanderreißen könnten?«, fragte sie und lächelte noch immer.
»Nun …«, begann er. »Nun ja … Eigentlich nicht, nicht so richtig …« Er brach unentschlossen ab.
»Aber das war immer so, Aleraner«, sagte sie, »schon lange, bevor die Vord unsere jeweiligen Völker bedroht haben. Und auch, wenn sie es nie getan hätten, wäre es noch so.«
»Was meinst du damit?«
Sie zuckte mit der Schulter. Dann nahm sie sein Besteck und schnitt noch ein Stück Braten ab, während sie sprach. »Viele Dinge können ein Leben beenden, sogar das Leben eines aleranischen Civis. Krankheiten. Brände. Unfälle. Und am Ende das Alter selbst.« Sie fütterte ihn mit einem Bissen Braten und sah zu, wie er zu kauen begann, bevor sie beifällig nickte und daranging, noch ein Stück abzuschneiden. »Der Tod ist sicher, Aleraner – uns allen. Da das nun einmal so ist, wissen wir, dass alle, die wir lieben, uns entweder irgendwann entrissen werden oder wir ihnen. Das folgt so natürlich daraus wie die Nacht auf den Sonnenuntergang.«
»Kitai«, begann Tavi.
Sie schob ihm noch ein Stück Braten in den Mund und sagte leise: »Ich bin noch nicht fertig.«
Er schüttelte den Kopf und begann zu kauen, während er zuhörte.
Sie nickte abermals beifällig. »Alles in allem sind die Vord nichts Besonderes, Aleraner, sofern du ihnen nicht gestattest, es zu sein. Eigentlich sind sie sogar weniger bedrohlich als das Meiste.«
Er schluckte und fragte: »Wie kannst du das sagen?«
»Wie kann ich es nicht sagen?«, antwortete sie gewandt. »Denk einmal darüber nach. Du hast einen ganz brauchbaren Verstand, wenn du dich entschließt, ihn zu gebrauchen. Ich bin sicher, dass du früher oder später darauf kommen wirst.« Sie drückte den Rücken durch und streckte sich, indem sie die Arme gerade über den Kopf reckte. Tavi bemerkte, dass seine linke Hand in ihrem Kreuz ruhte, das vom Kleid nicht bedeckt wurde. Er konnte sich nicht davon abhalten, diese weiche Haut in einem langsamen Kreis zu streicheln, wobei er sie kaum berührte. »Mmmh. Das gefällt mir. Und dieses Kleid gefällt mir. Und der Schmuck auch – obwohl ich ihn bei einer nächtlichen Jagd nicht tragen könnte. Er ist aber trotzdem schön.«
»Und teuer «, sagte Tavi. »Das würdest du mir nicht glauben.«
Kitai rollte mit den Augen. »Geld.«
»Nicht jeder verwendet Pfeilspitzen aus Obsidian als Grundlage des Tauschhandels«, sagte er lächelnd zu ihr.
»Nein«, gab sie spitz zurück, »aber wenn es einen Aleraner jedes Mal Geld kosten würde, wenn er etwas töten wollte, hätte das die Geschichte eures Volks wohl zu einem weit weniger interessanten Lesestoff gemacht.« Sie sah einen Moment lang lächelnd auf ihn herab und fragte dann: »Findest du die Edelsteine schön, Aleraner?«
Tavi berührte ihre Wange. »Ich würde dich gern mit nichts sonst am Leibe sehen.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Das«, sagte sie, »wäre völlig unangemessen, Fürst Octavian.« Aber ihre Hände hoben sich sehr langsam zu ihrem Nacken und zum Verschluss des Kleids. Tavi stieß ein weiteres leises Stöhnen aus und spürte, wie seine Hand sich besitzergreifend um ihre Taille schloss.
Schnelle Hufschläge donnerten auf
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