Codex Mosel
dass Hoffmann wieder zum Tagesgeschäft übergegangen war und die Einmischungen von Kay und Hanne nicht zur Sprache brachte. »Entschuldigt, diese Faktoren hätten vielleicht in ein paar Jahren ernsthaften Einfluss auf die Gesundheit des Opfers haben können, aber gestorben ist er doch an etwas anderem«, griff er ins Gespräch ein.
»In der Tat ist er das.« Hoffmann legte seine linke Hand ans Kinn, als überdenke er ernsthaft den Einwurf des Kriminalkommissars. Die Hand wanderte zum Kragen seines Kittels, den er anhob und prüfend betrachtete, während seine Augen leicht nach innen schielten.
»Übrigens, kennen Sie den?« Sein Blick streifte Walde und blieb schließlich an Grabbe hängen, der ihn erwartungsvoll ansah. »Was ist der rote Fleck auf dem Kittel eines Chirurgen?«
Grabbes Gesichtsfarbe wurde eine Spur blasser. »Blut?«
»Stimmt, und was ist ein gelber Fleck auf dem Kittel eines Urologen?«
»Urin«, stellte Grabbe fest.
»Und was ist dieser braune Fleck auf meinem Kittel?« Hoffmann zeigte auf die betreffende Stelle.
Grabbe verzog das Gesicht.
»Kaffee!«, Hoffmann lachte los und schlug mit der flachen Hand an Grabbes Oberarm, der einen Ausfallschritt machen musste, um sein Gleichgewicht zu halten. Dabei stützte er sich an einem Behandlungstisch ab. Angeekelt wischte er sich die Hand an der Hose ab, als wäre sie mit Gift in Berührung gekommen.
Walde wollte nicht einmal ein Grinsen gelingen.
»Ein Stich in den Herzbeutel ist eindeutig die Todesursache.« Hoffmann standen noch die Tränen in den Augen. »Die anderen Stiche trafen die Rippen und perforierten den linken Lungenflügel.«
»Haben Sie sonstige Verletzungen gefunden?«
»Nichts, was in das Zeitfenster der Messerstiche fällt.«
»Das heißt, der Täter hat die Tür aufgehebelt, während das Opfer schlief, ist zum Bett geschlichen und hat ihm das Messer ins Herz gerammt.« Grabbe schien sich wieder gefangen zu haben. »Hat das mit der Tür nicht ziemlich viel Krach gemacht, dass der Mann aufgewacht ist?«
»Er hatte eine Flasche Rotwein intus«, sagte Walde.
»Und noch ein wenig mehr. Sein Blutalkoholspiegel lag bei 1,9 Promille. Da brauchte der Täter auch nicht unbedingt zum Bett zu schleichen.«
»Laut Spurensuche ist der Fundort der Leiche gleichzeitig auch der Tatort. Er wurde ganz gezielt getötet«, sagte Grabbe. »Wer könnte dafür ein Motiv haben, außer seinem Komplizen?«
»Der da ist bestimmt der Kaufhausdetektiv.« Walde deutete auf einen Mann im Trainingsanzug mit Sonnenbrille, der neben dem riesigen Aschenbecher am Eingang des Krankenhauses stand.
»Nee, den kenn ich, der ist aus der Sportabteilung, sehr kompetent.«
»War der nicht früher in der Herrenbekleidung?«
»Ach, Mist!« Grabbe schlug sich an die Stirn. »Ich hab die Socken vergessen!«
*
Von seinem Büro rief Walde Doris im Atelier an.
»Hallo, endlich erreiche ich dich!«
»War das ein Problem?« Doris’ Tonfall verhieß nichts Gutes.
»Wir haben diesen Veit geschnappt.«
Als Doris nichts dazu sagte, fuhr er fort: »Das ist der Kerl, der in unserem Garten war.«
»Und in unserer Wohnung!«
»Jedenfalls bin ich froh, dass das vorbei ist.«
Doris gab keinen Ton von sich. Also berichtete Walde weiter: »Eine Streife hat ihn gestern Nachmittag geschnappt.«
»Und das sagst du mir erst jetzt, wo wir die Nacht bei Marie und Jo verbringen mussten. Annika hatte ihren Lieblingsteddy nicht dabei und konnte nicht einschlafen.«
»Dein Handy war gestern Abend ausgeschaltet.«
»Und Maries Telefon?«
»Besetzt.«
»Doch nicht den ganzen Abend. Außerdem wolltest du doch vorbeikommen.«
»Stimmt«, gab Walde zu. Dann kam ihm ein Gedanke. »Ich hatte was getrunken.«
»Schon wieder?«
»Wir haben immer noch Besuch von den Kollegen … ich hab dir doch davon erzählt.«
»Ich hab dich vorgestern Nacht im Wohnzimmer auf der Couch gefunden, schnarchend wie ein Sägewerk und gerochen hast du …«
»Ja?« Er hielt den Atem an und wartete darauf, dass sie auch den Parfümduft von Hanne ins Spiel brachte.
»Genauso riechst du und hörst dich an, wenn du zu lange mit Jo zusammen warst.«
»Was sollte ich denn machen?« Sein erleichtertes Ausatmen konnte auch als Seufzer gedeutet werden.
»Weniger trinken!«
»Was macht Annika?«
»Die vermisst ihren Vater.«
»Wo ist sie?«
»Hier bei mir im Atelier.«
»Ich komme vorbei.«
»Dann musst du dich beeilen, wir wollen nach Hause.« Doris’ Stimme klang etwas weicher. Sie hatte noch
Weitere Kostenlose Bücher