Codex Mosel
aufgestützt und eine Hand an die Stirn gelegt hatte.
»Zum Teufel, zeig es ihm!«, forderte Erich.
»Nur ein Ellenbogencheck.« Siggis Stimme klang noch einen Tick belegter als üblich. »Immer noch besser, als ein Messer zwischen die Rippen zu kriegen.« Er bemühte sich nicht einmal, seine Worte für Erich ins Englische zu übersetzen. Sein linkes Auge war bis auf einen schmalen Schlitz zugeschwollen.
»Das war der Bruder des Opfers, den … ihr nicht aufhalten konntet«, sagte Gabi. »Der ist wahrscheinlich nicht an der Tat beteiligt gewesen. Ihr habt ihm einen gehörigen Schrecken eingejagt.«
»Aha. Sollen wir uns nun auch noch bei dem Kerl entschuldigen?«
»Wollt ihr Anzeige erstatten?«, fragte Gabi.
Siggi schüttelte den Kopf. »Hat Salvo gequatscht?«
»Ihr könnt froh sein, dass wir den Mann aufhalten konnten. Dazu wart ihr ja nicht in der Lage.« Gabi ging auf Siggis Frage nicht ein.
»Zum Teufel, ohne uns hättet ihr den Kerl noch gar nicht gefunden.« Erichs Hand zuckte erneut zur linken Brustseite.
»Hat der Teufel euch den Tipp gegeben?« Gabi drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus.
»Wir sind nochmal sämtliche Stundenzettel der Baufirma von der Domkapelle durchgegangen.«
»Das haben wir auch schon gemacht.«
»Ja, aber wir haben doch noch was rausgefunden. Der Kerl, den wir tot im Bett gefunden haben, der hat nur zwei Tage gearbeitet und ist dann einfach nicht mehr erschienen. Da er seinen Personalbogen noch nicht ausgefüllt hatte … Krankenkasse, Sozialversicherung, Berufsgenossenschaft, weiß der Teufel, wurde er nicht als Mitarbeiter geführt.« Erich zuckte mit den Schultern.
»Und warum hat das uns keiner erzählt.«
»Wir haben ja nicht einfach nur so gefragt, sondern haben uns mit den Leuten näher beschäftigt, sie aufgefordert, sich selbst ein paar Gedanken zu machen und siehe da, sie haben es getan.« Siggi versuchte ein Grinsen.
»Und da seid ihr einfach so, ohne uns zu informieren, auf eigene Kappe zu dem Typen gefahren.« Walde schüttelte den Kopf.
»Wir haben das erst als Routine angesehen, eine einfache Zeugenbefragung.«
»Zeugenbefragung ist ein gutes Stichwort«, sagte Gabi. »Gebt mir bitte mal eure richtigen Personalien.«
»Das können wir leider aus Gründen des …«
»Jetzt schlägt’s aber dreizehn!« Gabi schlug so fest mit der flachen Hand auf den Tisch, dass der Aschenbecher hochflog und wieder auf die Platte krachte. »Ihr habt wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank.« Sie stand auf und ging zur Tür. »Abführen, alle beide!« Sie instruierte die beiden Polizisten auf dem Gang.
»Das kannst du doch nicht machen!«, protestierte Siggi »Bringt sie nach dem Erkennungsdienst runter in die Zellen!«
»Was wirfst du uns vor, zum Teufel.«
»Lass endlich den Teufel aus dem Spiel, Erich. Fürs Erste Einbruch in Tateinheit mit Amtsanmaßung, Irreführung und Ermittlungsbehinderung. Das Weitere werden die Ermittlungen der nächsten achtundvierzig Stunden erbringen, bis wir euch dem Haftrichter vorführen lassen.«
»Spinnt ihr?«
Gabi ignorierte die Proteste und stöckelte über den Flur zu ihrem Büro. Walde hob die Schultern und blickte zu den beiden Männern hinüber, die jeweils von einem Uniformierten am Arm gepackt wurden.
*
»Du möchtest wirklich mitkommen?«, fragte Walde im Eingangsbereich des Krankenhauses.
»Alles eine Sache der Einstellung.« Grabbe machte einen völlig entspannten Eindruck.
»Kannst du mir verraten, warum du auf einmal freiwillig in die Pathologie mitkommst?«
»Autosuggestion.«
»Was?«
»Ich stelle mir vor, dass ich woanders bin. Zum Beispiel in ein Kaufhaus gehe und mir Socken kaufe.«
»Socken?« Walde drückte die Taste für den Fahrstuhl. »Aber, soviel ich weiß, hattest du allein Schwierigkeiten mit den Krankenhausgerüchen?«
»Im Moment sind wir in der Nähe der Cafeteria.« Grabbe ging an ihm vorbei in die Kabine. »Und jetzt fahren wir in die Fleischabteilung, wo gerade geputzt wird.«
»Tadellose Lunge, nur die Leber macht nicht mehr den besten Eindruck.« Der Pathologe stand neben der Bahre, auf der die mit einem Tuch zugedeckte Leiche lag.
»Alkohol?«, fragte Grabbe.
»Nein danke, ist für mich noch zu früh.«
»Ich meinte ihn da.« Grabbe deutete in Richtung Bahre, aber dann fiel ihm Hoffmanns Grinsen auf.
»Vielleicht hat seine Leber auch durch Medikamente … Anabolika oder so, gelitten?«
»Gut möglich, wenn ich mir die Muskulatur so ansehe …«
Walde war erleichtert,
Weitere Kostenlose Bücher