Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
mir mit seinem Stock wie immer einen Schritt voraus war. »Was denn?«, hörte ich ihn sagen.
»Was denn?! Du hast uns zu Verbrechern gemacht, nach denen gefahndet wird!«
»Das stimmt natürlich so nicht, Valdemar. Ich habe nichts gemacht. Weshalb bist du so wütend auf mich?«
»Du und dein verdammter Codex Regius «, sagte ich.
»Es ist überflüssig, den Codex Regius da hineinzuziehen.« »Es liegt ein Fluch über dem Buch«, sagte ich. »Ein Fluch! Sieh Färber an, er ringt mit dem Tod. Alle, die etwas mit dem Buch zu tun haben, müssen dran glauben.«
»Komm mir bloß nicht schon wieder mit diesem idiotischen Fluch«, sagte der Professor und beschleunigte seine Schritte.
»Dass muss dich doch auch nachdenklich stimmen!«
»Ich glaube nicht, dass Färber je mit dem Codex Regius in Berührung gekommen ist«, sagte der Professor. »Darüberwissen wir nichts. Hüte dich vor Aberglauben, Valdemar. Er verdummt die Menschen.«
Darauf wusste ich nichts zu sagen, und ich folgte dem Professor stumm durch die dunklen Straßen Berlins zu Glockners Privatadresse. Ich war wütend auf ihn, weil er mich in seine Jagd nach dem Codex hineingezogen hatte, mit diesen Folgen, doch natürlich wusste ich im Innersten, dass er keine direkte Schuld an unserer Lage hatte. Er konnte nichts dafür, dass Färber in seinem Haus überfallen worden war. Es musste nicht einmal etwas mit der Handschrift zu tun haben. Genauso gut konnte er Diebe in seinem Haus überrascht haben, und dabei war es zu Handgreiflichkeiten gekommen. Der Professor war entschlossen, sich der Polizei zu stellen, und bei dem Gedanken fühlte ich mich etwas besser. Vielleicht könnten wir unseren guten Ruf schon heute Abend wiederherstellen. Die Polizei musste doch sehen, dass wir gar nichts mit dem Anschlag zu tun hatten, wir waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht in dem Haus gewesen. Außer der Tatsache, dass wir am Abend des Überfalls ein kurzes Gespräch mit Färber geführt hatten, verband uns nichts mit diesem Mann. Höchstwahrscheinlich war er mitten in der Nacht überfallen worden, als wir in Elsa Bauers Pension waren. Sie konnte das bestätigen. Es musste doch auch andere Zeugen als nur den Diener Klaus geben, die andere Männer beobachtet hatten, die um Färbers Haus herumgeschlichen und eingebrochen waren und die schreckliche Tat verübt hatten.
So etwa waren meine Gedankengänge, als ich hinter dem Professor herrannte. In meiner Verzweiflung versuchte ich, alles zum Positiven hin auszulegen. Indem ich mir einredete, dass es uns bestimmt gelingen würde, die Polizei davon zu überzeugen, dass wir Färber nie und nimmer hätten überfallen können, und dass die Polizei irgendwelche Indizien gefunden hatte, die das unterstützten, wurde ichnach und nach etwas ruhiger. Aber vollkommen beruhigt war ich nicht, und ich hatte Angst vor dem, was kommen würde.
Nach seinem Haus zu urteilen, lebte Glockner in ähnlichem Reichtum wie Färber. Es war eine dreigeschossige Villa im Gründerzeitstil, die nach dem Krieg wieder aufgebaut worden war. Hilde Kamphaus hatte uns gesagt, dass er seit kurzem geschieden war. Seine beiden Kinder aus dieser Ehe waren aber bereits erwachsen und von zu Hause ausgezogen. In einigen Fenstern des Erdgeschosses war Licht, aber die anderen Stockwerke lagen im Dunkeln. Nachdem der Professor geklingelt hatte, warteten wir vor der Haustür, aber drinnen rührte sich nichts. Es hatte beinahe den Anschein, als habe der Besitzer das Haus auf einen Sprung verlassen und das Licht brennen lassen. Wir betätigten die Klingel noch einmal und warteten weiter. Dann klopfte der Professor an, erst leise und höflich, dann energischer.
»Sollen wir auf ihn warten?«, fragte ich.
»Vielleicht ist es sogar besser, wenn er nicht zu Hause ist«, sagte der Professor, ging ein paar Schritte am Haus entlang und bog um die Ecke. Ich blickte ihm verblüfft nach und rannte dann hinter ihm her in den gepflegten Garten hinter dem Haus.
Ich sah, wie der Professor auf der Rückseite des Hauses in die Fenster hineinspähte, und zu meinem Entsetzen begriff ich, dass er versuchte, sie zu öffnen. Beim Gartentor angekommen, fasste er an die Klinke, um festzustellen, ob sie verschlossen war.
»Was machst du da«, zischte ich und blickte mich verstohlen um. Glücklicherweise war der Garten voll hoher Bäume, und wir befanden uns im Schutz der Dunkelheit.
»Wir müssen da hinein«, sagte der Professor.
»Hinein?«
»Der Codex Regius könnte hier im Haus
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