Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
als würde der Knoten etwas nachgeben.
»Still!«, flüsterte der Professor.
Ich hielt sofort inne, und wir lauschten beide. Jemand kletterte in den Laderaum hinunter.
»Versteck dich!«, zischte der Professor. »Steck mir den Knebel wieder rein! Schnell, schnell!«
Ich tat wie geheißen und konnte gerade noch hinter einem Stapel mit Kartons verschwinden, bevor Joachim von Orlepp und Helmut beim Professor auftauchten. Ich versuchte, mucksmäuschenstill zu sein, wagte kaum zu atmen und rührte mich nicht.
»Diesmal haben wir sie dabei«, hörte ich Joachim von Orlepp sagen.
Ich schob mich vorsichtig etwas vor, sodass ich den Professor sehen konnte. Joachim und Helmut standen neben ihm. Helmut nahm dem Professor den Knebel ab. In seiner Hand glänzte etwas, was ich für eine Pistole hielt. Joachim hielt eine Taschenlampe in der Hand.
»Mein Vater sagt, dass du lügst«, erklärte Joachim. »Er sagt, dass wir alle verfügbaren Methoden anwenden sollen, um aus dir herauszupressen, wo du die Edda versteckt hast. Wir wissen, dass sie hier an Bord ist.«
Der Professor schwieg.
»Helmut war früher Schreiner«, fuhr Joachim von Orlepp fort. »Er versteht sich auf alle möglichen Werkzeuge.«
Helmut grinste.
»Er ist besonders geschickt mit der Kneifzange«, sagte Joachim.
Ich sah wieder auf das, was Helmut in der Hand hielt. Es war keine Pistole, die er hielt, sondern eine Zange, und ich überlegte, was in aller Welt er damit hier unten im Laderaum wollte.
»Du machst mir keine Angst«, sagte der Professor.
»Warten wir es ab«, sagte Joachim. »Warten wir ab, wie viel du aushältst.«
Der Professor ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern, und er blieb schließlich an der Zange in Helmuts Händen hängen.
»Wie viel Schmerz kannst du ertragen?«, fragte Joachim. Der Professor würdigte ihn keiner Antwort.
»Was glaubst du wohl, was ein flinker Schreiner mit so einer Kneifzange alles machen kann?«
»Er kann sie dir in den Arsch jagen«, erwiderte der Professor.
Helmut trat ihm mit aller Kraft in die Seite. Ich hörte den Professor aufstöhnen.
»Ich glaube, es ist nicht klug, Helmut zu provozieren«,sagte Joachim ruhig, als sei nichts vorgefallen. »Vor allem nicht, wenn man an Händen und Füßen gefesselt ist.«
Er kniete neben dem Professor nieder.
»Ich könnte dir den Knebel wieder anlegen, aber ich möchte hören, wie du schreist«, sagte er, und eine unerträgliche Gleichgültigkeit schwang in seiner Stimme mit.
Helmut griff nach den Händen des Professors und riss an den Fesseln, sodass der Professor herumgeworfen wurde und mit dem Rücken zu den Deutschen lag. Ich begriff nicht, was Helmut vorhatte, und dachte zuerst, er wolle ihm die Fesseln lösen. Der Professor ballte die Hände zu Fäusten, doch Helmut schlug mit der Zange darauf. Da ging mir auf, dass der Professor versuchte, seine Finger zu schützen, indem er sie in den Handflächen verbarg. Ich kapierte plötzlich, was da vor sich ging. Helmut gelang es, den kleinen Finger des Professors zu packen, und er setzte die Kneifzange an. Dann sah er zu Joachim hoch.
»Sag mir, was du mit der Edda gemacht hast!«, befahl Joachim.
»Ich habe sie nicht«, sagte der Professor.
»Du hast sie doch!«, sagte Joachim.
Er riss den Professor an den Haaren.
»Sag mir, wo sie ist.«
»Sigmundur hat das Buch noch«, sagte der Professor.
»Damit hast du es schon einmal versucht«, sagte Joachim. »Wir kommen gerade von ihm. Er sagt, du seist in seine Kabine gekommen, hättest die doppelte Wand entdeckt und das Buch an dich genommen. Soweit ich sehen konnte, hat er die Wahrheit gesagt. Seine Kabine sah ehrlich gesagt nicht sehr schön aus.«
»Er lügt.«
Der Professor wollte Zeit gewinnen. Ich hätte versucht, mich aus dem Laderaum zu entfernen und Hilfe zu holen,falls das irgendwie möglich gewesen wäre, ohne dass sie mich bemerkt hätten.
Joachim nickte Helmut zu.
Helmut drückte zu. Ich sah, dass der Finger anfing zu bluten.
Der Professor schrie auf. Ich würgte im Stillen.
»Wo ist die Edda?«, fragte Joachim.
Helmut sah ihn an. Er schien darauf zu brennen, den Finger abkneifen zu dürfen.
Joachim grinste den Professor an. »Wo ist das Buch?«
Der Professor konnte vor Schmerz kaum sprechen.
»Wo ist das Buch?«, fragte Joachim ein weiteres Mal.
»Leck mich am Arsch!«, fauchte der Professor.
Joachim nickte Helmut wieder zu, der noch einmal fester zudrückte.
Der Professor brüllte.
Ich hielt es nicht mehr in meinem
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