Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
Skulpturenmuseum.«
»Blödsinn! Die Handschriften gehören nirgendwo anders hin als nach Island. Von dort sind sie hierhergekommen, dort wurden sie geschrieben, und dort wurden sie ursprünglich aufbewahrt. Sie sind Eigentum des isländischen Volkes, kein anderer kann sie jemals besitzen. Niemand! Die Dänen werden das schon noch einsehen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das der Fall sein wird. Nur eine Frage der Zeit.«
»Natürlich«, sagte ich.
»In diesem Sinne wollen wir nicht, dass sie lange hier drinbleiben«, flüsterte der Professor und öffnete die Tür zu dem zukünftigen Aufbewahrungsort der Sammlung von Árni Magnússon, und zwar dem letzten auf dänischem Grund, wenn es nach ihm ginge. Wir kamen in einen ziemlich großen Saal mit dicken Wänden und gewölbter Decke, aber billigem Linoleum auf dem Fußboden. Er war fast völlig leer. Auf dem Boden standen nur ein paar Bücherkisten und einige Regale.
»Hier wird der Lesesaal sein«, erklärte der Professor und deutete mit der Hand um sich. »Und dort das Arbeitszimmer des Direktors. Hier wird sich die Werkstatt für die Handschriften befinden und dort eine Dunkelkammer, um sie abzulichten.«
»Das ist aber eine sehr viel bessere Unterbringung«, sagte ich und blickte mich um.
»Ich hoffe, dass es meinem Jón nichts ausmacht«, sagte der Professor und öffnete die Tür zu einem kleinen Nebenraum.
Ich wusste nicht, was für einen Jón er meinte. In dem Zimmer standen jede Menge Bücherregale und mitten im Zimmer ein Schreibtisch. In den Regalen lagen ein paar Mappen, aber der Schreibtisch war leer, abgesehen von einer Lampe, die der Professor einschaltete. Der Schreibtisch hatte zu beiden Seiten Schubladen. Er zog die unterste auf der einen Seite ganz heraus und kippte den Inhalt auf die Schreibtischplatte. Die Lade hatte einen doppelten Boden, den der Professor öffnete, um einen Umschlag herauszuholen. Er entnahm ihm einen Brief und legte ihn unter die Lampe.
»Kannst du Griechisch, Valdemar?«, fragte er.
»Ein bisschen«, antwortete ich. »Nicht viel.«
Ich interessierte mich allerdings sehr für Griechisch, und im Gymnasium hatte ich mehr Spaß an dieser Sprache als an Latein gehabt. Ich hatte an der Universität weitere Kurse belegt, war jedoch weit davon entfernt, diese Sprache wirklich zu beherrschen, und vermutlich würde ich das nie schaffen.
»Bischof Brynjólfur beherrschte Griechisch«, sagte der Professor. »Hier haben wir ein Blatt mit Runenzeichen aus der Zeit, als er in Skálholt residierte. Er hat es vermutlich irgendwelchen Schülern an der Gelehrtenschule abgenommen, die mit Runenzauber und schwarzer Magie herumgedoktert haben. Das war gang und gäbe zu dieser Zeit, undan der Schule in Skálholt hat es, wie du sicher weißt, etliche Skandale gegeben. Brynjólfur war aber in diesen schlimmsten Zeiten des Hexenwahns ein überaus milder Bischof und hat bei derartigen Vergehen nie hart durchgegriffen. Kannst du diese Runen lesen?«
Ich beugte mich über das Blatt. Da standen germanische Runenzeichen, die erstaunlich gut zu erkennen waren in Anbetracht der Tatsache, wie viele Jahrhunderte vergangen waren, seitdem diese Runen aufgeschrieben worden waren.
»Mir kommt es so vor, als ginge es hier um magische Zeichen in Krankheitsfällen«, sagte ich unsicher. »Kann das stimmen?«
»Um welche Krankheit geht es? Was sollen diese Runen heilen?«
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte ich, obwohl ich sie bereits entschlüsselt hatte. Ich zögerte, weil mir das Thema etwas peinlich war.
»Worum geht es?«, beharrte der Professor.
»Geht es um … Ich weiß nicht, geht es vielleicht um Bettnässen?«, schlug ich zögerlich vor.
»Das habe ich auch zuerst gedacht, aber wenn du genauer hinschaust, siehst du, dass das nicht stimmen kann. Klar, das ist nicht sehr deutlich, und da fehlen auch ein paar Buchstaben.«
Ich sah mir die Runenzeichen noch einmal genauer an, und auf einmal begriff ich, um was es ging.
»Diese Zeichen sollen gegen Geschlechtskrankheiten wirken«, sagte ich.
»Wenn es irgendetwas gibt, was sich nie ändern wird, dann sind es Schüler«, sagte der Professor lächelnd. »Korrekt, Valdemar, aber darum geht es mir nicht. Wenn du das Blatt wendest, was siehst du dann?«, fuhr er fort.
Ich drehte das Blatt um und sah, dass da mit gotischerSchrift ein seltsamer Zweizeiler mit Stabreim geschrieben stand. Ich starrte angestrengt darauf, bis ich glaubte, ihn entziffert zu haben.
»Ist das die Handschrift von
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