Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
einigen von ihnen standen Geräteschuppen. Zu meiner großen Bestürzung begann der Professor, an einigen Schlössern herumzufummeln, und schließlich gelang es ihm, einen Schuppen zu öffnen.
    »Was hast du vor?«, flüsterte ich.
    »Pass auf, ob jemand kommt«, sagte der Professor und verschwand in dem Schuppen.
    Ich spähte umher. Gottlob war keine Menschenseele unterwegs. Der Professor tauchte mit einer Petroleumlampe in der Hand wieder auf, die er mir reichte, und verschwand erneut im Schuppen. Als er ein weiteres Mal zum Vorschein kam, hatte er einen kräftigen Hammer und einen Meißel dabei, die er mir ebenfalls reichte.
    »Gib mir die Laterne«, sagte er.
    »Was soll das eigentlich?«
    »Da wir diese Dinge hier gefunden haben, ist es unnötig, so etwas in einem Geschäft zu kaufen, das würde nur Aufsehen erregen«, antwortete der Professor und schloss die Tür zum Schuppen wieder. »Machen wir, dass wir fortkommen«, sagte er und blickte sich nach allen Seiten um. »Gefunden haben?«
    »Wir bringen alles wieder zurück.«
    Der Professor marschierte im Sturmschritt die Straße entlang, und die Laterne schlenkerte hin und her, sodass man das Gluckern des Petroleums hörte. Ich folgte ihm mit dem Hammer in der einen und dem Meißel in der anderen Hand. Wir verlangsamten unsere Schritte erst, als wir zu einem alten Friedhof kamen. Es war bereits dunkel geworden, und wir huschten rasch durch das Friedhofstor. Ich hatte schreckliche Angst vor der geplanten Aktion und überlegte,ob es nicht das Vernünftigste wäre, die Werkzeuge fallen zu lassen und die Beine in die Hand zu nehmen, um das Land auf dem schnellstmöglichen Weg zu verlassen; zu vergessen, dass das hier jemals geschehen war und mein Studium der Nordischen Philologie fortzusetzen, als sei nichts vorgefallen; den Professor und seine fixen Ideen zu vergessen; alles miteinander zu vergessen. Auf der anderen Seite war ich schrecklich aufgeregt. Nicht auszudenken, wenn wir die verschollenen Seiten des Codex Regius finden würden! Was für ein Fund! Was für ein Bravourstück! Unsere Namen würden in die Geschichtsbücher eingehen. Wir würden einen unermesslichen Schatz zurückbringen, der jahrhundertelang verschollen gewesen war! Konnte das wirklich sein? War der Professor tatsächlich auf der richtigen Spur?
    Der Professor fand zielstrebig seinen Weg zu den seit langem erkalteten Gebeinen von Ronald D. Jörgensen. Der Nebeldunst vom Nachmittag hatte sich aufgelöst. Über uns riss die Wolkendecke auf, und am kohlrabenschwarzen Himmel kam der Mond zum Vorschein, mit kleinen freundlichen Sternen um sich herum. Der Professor blieb stehen.
    »Vielleicht ist das ein bisschen zu viel der Helligkeit«, sagte er und blickte sich besorgt um.
    »Muss es wirklich sein?«, fragte ich zögernd.
    Er hatte wahrscheinlich den ängstlichen Ton in meiner Stimme gehört, denn er trat zu mir und legte mir den Arm um die Schultern. »Bedenke eines, Valdemar«, sagte er mit großem Nachdruck, »wenn wir diese Seiten hier finden, dann wirst du nie, niemals in deinem Leben, etwas Bedeutenderes mehr leisten. Das musst du stets vor Augen haben. Wir tun niemandem etwas an. Niemand wird es je herausfinden. Hier kommt sowieso nie wieder jemand hin. Und selbst falls irgendwann jemand bemerkensollte, dass sich da jemand an der Gruft zu schaffen gemacht hat, sind wir längst über alle Berge. Im Übrigen war dieser Ronald D. Jörgensen alles andere als ein Unschuldsknabe. Er hat dasselbe gemacht, was wir jetzt tun, und zudem war er ein Mörder. Hat er etwa unsere Achtung verdient? Sind wir ihm etwas schuldig? Er hat einen unschuldigen Bauern umgebracht, ihn in ein offenes Grab geworfen und Erde draufgeschaufelt. Schulden wir diesem Mann etwas?«
    Er starrte mich mit seinen dunkelblauen Augen so lange an, bis ich zustimmend nickte. Es war ihm gelungen, mich zu überzeugen.
    »Also los«, sagte ich.
    »Ich wusste es ja, Valdemar, dass du Mumm in den Knochen hast.«
    Das Ehepaar Jörgensen war in einer nicht sehr großen gemauerten Gruft hinter einer kupfernen Tür bestattet. Die Tür war unverschlossen, oder vielleicht war das Schloss kaputt und niemand mehr da, der sich darum kümmerte. Als wir eintraten, sahen wir im flackernden Schein der Laterne zwei aufrecht stehende Grabplatten. Die Decke in dem Gemäuer war so niedrig, dass wir kaum stehen konnten, und drinnen war es unangenehm kalt und dunkel. Die Grabplatten reichten fast bis auf den Boden, jede war beschriftet. Auf der einen

Weitere Kostenlose Bücher