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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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rothaarig, pausbackig und ziemlich üppig. Dann legte sie sich wieder hin und zog den Mantel über sich zurecht, als wären wir überhaupt nicht anwesend.
    »Er hat uns etwas sehr Kostbares gestohlen«, sagte ich. »Ein nationales Heiligtum. Wir versuchen, es wieder in unseren Besitz zu bringen, aber dieser von Orlepp ist wahrscheinlich tot, zumindest ist er wie vom Erdboden verschwunden, und wir wissen nicht, was er damit gemacht hat.«
    »Was war das?«, fragte Boris. »Was hat er euch geklaut?« Ich sah den Professor an, der ganz weggetreten zu sein schien.
    »Ein Buch«, sagte ich.
    »Ein Buch?«, echote Boris und konnte seine Verwunderung nicht verhehlen. »Was für ein Buch? Wieso kann ein Buch so wichtig sein?«
    »Es ist ein unerhört wichtiges Buch.«
    »Und deswegen seid ihr nach Amsterdam gekommen und habt nach einem Deserteur und Vaterlandsverräter undlandesflüchtigen Russen wie mir gesucht, nur wegen eines Buchs?«
    »In den Augen von Isländern ist es das Buch aller Bücher«, sagte ich. »Eine Pergamenthandschrift. Der Codex Regius . Das Buch Islands.«
    Der Russe starrte uns an.
    »Das wertvollste aller Bücher, die wir besitzen«, fügte der Professor deprimiert hinzu.
    »Dann könnte es passen«, erklärte der Russe.
    »Was kann passen?«
    »Etwas, was er gesagt hat.«
    »Wer?«
    »Mein Freund, der auf diese Mine getreten ist, hat den Kerl verhaftet. Er sagte mir, dass sie ihn in irgendwelchen Ruinen gefunden haben, wo früher einmal ein Buchladen war.«
    Der Professor, der die ganze Zeit auf den Boden gestarrt hatte, hob bei diesen Worten den Kopf und schien den Russen mit seinen Blicken verschlingen zu wollen.
    »Was hast du da gesagt?«
    »Da lagen überall Bücher herum.«
    »Überall Bücher?«
    »Mein Freund hat mir erzählt, dass sie ihn aus den Trümmern eines Buchladens herausgeholt haben, wo haufenweise alte Bücher herumlagen.«
    »Ihr habt ihn in den Ruinen eines Buchladens festgenommen?«, flüsterte der Professor.
    Boris nickte.
    »Er war in einem Laden mit alten Büchern, als er festgenommen wurde?«, wiederholte der Professor, der seinen Ohren kaum trauen konnte.
    »Das hat jedenfalls mein Freund gesagt. Drinnen oder draußen. Er ist zumindest da herumgekrochen.«
    »Hat er Bücher bei sich gehabt?«
    »Davon hat er nichts gesagt.«
    »Was hat von Orlepp da gewollt?«
    »Bestimmt wollte er sich da verstecken. Die haben doch alle höllischen Schiss gehabt, als Berlin gefallen war, diese verfluchten Nazi-Feiglinge.«
    »Was war das für ein Laden?«
    »Wie soll ich das denn wissen?«
    »Wo war er? Wie hieß er?«
    »Du sagst, er war reich?«, fragte der Russe.
    »Wer?«
    »Dieser Orlepp?«
    »Reicher, als du ahnst«, antwortete der Professor.
    Der Russe verstummte. Vielleicht bereute er es im Nachhinein, sich nicht bestechen gelassen zu haben.
    »Weißt du, wo dieser Laden mit den alten Büchern in Berlin war?«, fragte der Professor.
    »Nein. Die Stadt war völlig zerbombt.«
    »War er klein oder groß?«
    »Klein oder groß? Keine Ahnung.«
    »Ich kenne mich ein bisschen mit alten Büchern aus«, erklärte der Professor. »Wenn du mir irgendetwas über dieses Geschäft sagen kannst, mag es auch noch so unbedeutend sein, könnte es uns vielleicht weiterhelfen.«
    »Ich weiß ein bisschen was über diesen Laden«, sagte Boris. »Dimitri hat das Haus irgendwann mal erwähnt, es hatte eine Bombe abbekommen, aber trotzdem ragten da noch Büchergestelle aus den Trümmern heraus.«
    »Du weißt nicht, wer der Eigentümer war?«
    »Nein, keine Ahnung.«
    »In welchem Teil von Berlin war das? In welchem Viertel? Hat dein Freund das erwähnt?«
    Der Russe überlegte. Die üppige Frau im Bett hatte wieder angefangen, leise zu schnarchen.
    »Heute liegt das im Westen«, sagte der Russe. »Ich weißnoch, dass Dimitri damals für Charlottenburg zuständig war. Ich hab nach meiner Flucht eine Zeit lang selbst dort gewohnt. Bevor ich nach Amerika ging. Seid ihr schon mal in Amerika gewesen?«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Scheißkapitalismus«, sagte Boris.
    Dann fixierte er unendlich traurig das zuckende Neonlicht gegenüber und seufzte tief auf.
    »Ich vermisse Russland.«
    Der Professor fand in dieser Nacht keine Ruhe. Nach all diesen Jahren, nach all dieser Zeit und dieser zerstörerischen Seelenqual bestand wieder eine schwache Hoffnung, dem Buch auf die Spur zu kommen, das ihm gegen Ende des Krieges geraubt worden war. Ein ausgebombtes Antiquariat in Berlin konnte der Schlüssel dazu sein,

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