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Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók

Titel: Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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der Professor, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen. »Die Engländer wollten ihn unbedingt haben, als sie erfuhren, dass ihr ihn geschnappt hattet.«
    Boris schwieg.
    »Ihm wurden Kriegsverbrechen zur Last gelegt. Die Polen hätten ihn ebenfalls gern in die Finger gekriegt, andere auch.«
    »Die Hinrichtung«, sagte Boris plötzlich. »Kann er das gewesen sein?«
    »Die Hinrichtung?!«, wiederholte der Professor.
    »Ich habe ihn nicht verhaftet«, sagte Boris, »Aber ich habe ihn den Engländern übergeben. Von Orlepp? Da war dochirgendwas mit Kunstdiebstählen oder so etwas. Der Kerl tat so, als hätte er Geld wie Heu. Kann das sein?«
    Der Professor nickte. »Du erinnerst dich also an ihn?«, fragte er.
    »Wir hatten den Befehl, ihn ins britische Hauptquartier in Berlin zu bringen und ihn dort abzuliefern«, sagte Boris. »Wir bekamen keine Erklärungen. Das war einfach ein Befehl wie jeder andere. Wir haben ihn denen übergeben, und mehr war da nicht.«
    »Und du bist dir sicher, dass es Erich von Orlepp war?«
    »Ich kann mich an den Namen erinnern. Aber da war noch etwas anderes, er hat nämlich versucht, uns zu bestechen. Du hast eben gesagt, dass er vielleicht versucht hat, einen zu schmieren, und ich erinnere mich, dass er uns Geld angeboten hat. Er sagte, er hätte es nicht dabei, aber es befände sich an einem bestimmten Ort in Berlin, wir bräuchten ihn bloß dorthin zu bringen, und dann wären wir reich. Er versuchte es auf diese Tour bei uns, damit wir ihn laufen ließen.«
    »Aber ihr habt euch nicht darauf eingelassen?«, fragte der Professor.
    »Nein«, sagte Boris, »das haben wir uns nicht getraut. Und sowieso haben diese Leute Gott weiß was erzählt, um freizukommen.«
    »Was hast du damit gemeint, als du vorhin von Hinrichtung sprachst?«, erlaubte ich mir zu fragen.
    Boris sah mich an. »Am liebsten hätten wir diesen Kerl auf der Stelle umgebracht«, sagte er. »Er war Nazi und wurde wegen Kriegsverbrechen gesucht. Das war Grund genug für uns. Aber das konnten wir nicht, denn irgendwie war man sich an höherer Stelle über diesen Mann einig geworden. Trotzdem taten wir so, als hätten wir vor, ihn zu exekutieren, um ihm einen Schrecken einzujagen. Auf dem Weg zu den Engländern hielten wir an und inszenierten seineHinrichtung. Wir stellten ihn an eine Wand, und die Jungs haben auf ihn angelegt. Ich zählte ab, und dann ballerten sie wie wild los, ganz knapp an ihm vorbei. Der ist vor Angst fast krepiert und hat geschrien wie am Spieß.«
    Ich sah den Professor an, als der Russe das sagte, aber er zeigte keinerlei Reaktion.
    »Weshalb sind die Russen darauf eingegangen, ihn den Engländern auszuliefern? Was meinst du damit, wenn du sagst, dass man sich in Bezug auf den Mann geeinigt hatte?«
    »Wir bekamen stattdessen einen anderen.«
    »Einen anderen?«
    »Wir haben ihn im Hauptquartier der Engländer abgeliefert, und die übergaben uns stattdessen einen anderen Nazi, den sie gefangen genommen hatten. Ein Austausch.«
    Der Russe sprach wieder dem Wodka zu. Die Frau im Bett schien aufzuwachen.
    »So war die Politik«, sagte er.
    »Weshalb wurde von Orlepp verhaftet?«, fragte der Professor.
    »Weshalb?«, echote Boris. »Liegt das nicht auf der Hand? Wir waren hinter den Nazis her und haben etliche erwischt.«
    »Ich meinte eigentlich: Wie kam es zu der Verhaftung?«
    »Da war ich nicht dabei«, sagte Boris noch einmal. »Das war mein Freund. Der ist tot, der ist auf eine Mine getreten, ganz in der Nähe von Berlin, nachdem man den Waffenstillstand ausgerufen hatte. So ist das Leben.«
    »Kannst du dich an andere in dieser Einheit erinnern, die ihn festgenommen hat?«
    »Nein.«
    Der Professor sank in sich zusammen. Es hatte nicht den Anschein, als könne dieser Russe ihn in irgendeiner Weise weiterbringen.
    »Hat dieser von Orlepp etwas gesagt, als ihr ihn weggebracht habt?«, fragte ich. »Kannst du dich da an etwas erinnern? Irgendetwas in seinem Benehmen oder etwas, was er gesagt hat?«
    »Wieso fragt ihr mich eigentlich nach diesem Mann? Weshalb ist er so wichtig?«, fragte der Russe.
    »Wegen seiner Kunstdiebstähle«, beeilte ich mich zu sagen.
    Ich sah den Professor an, der schweigend in das blinkende Neonlicht starrte. Erst jetzt, als ich seine enttäuschte Miene sah, wurde mir völlig klar, welche Hoffnungen er auf den Russen gesetzt hatte.
    »Hat er euch was geklaut?«, fragte Boris.
    Die Frau im Bett richtete sich halb auf und starrte den Professor und mich an. Sie war

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