Codex Regius - Indriðason, A: Codex Regius - Konungsbók
sie an einer Krücke«, sagte Färber. »Als die Russen in Berlin einmarschierten, brachten sie ihre Schwester um, vergewaltigten Katharina Berg und machten sie zum Krüppel. Hat sie Ihnen nichts davon erzählt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Ihr wart auch keine Engel, als ihr durch Russland marschiert seid«, sagte der Professor.
»Nein, wahrscheinlich nicht.«
Färber ließ wieder eine Weile seine Blicke nachdenklich zwischen uns hin- und herwandern. Ich wurde immer unruhiger und sehnte mich danach, an die frische Luft zu kommen. Der Professor gab keinen Millimeter nach. Diener Klaus beobachtete die ganze Szene, wirkte aber desinteressiert. Endlich schien Färber zu einem Entschluss gekommen zu sein.
»Ich kann mich daran erinnern, dass Sie nach dem Krieg zu mir gekommen sind«, sagte er.
»Den Eindruck hatte ich auch«, sagte der Professor.
»Ich erinnere mich deswegen, weil …«
»Ja?«
»Ich möchte nicht beleidigend sein.«
»Nichts, was Sie sagen, kann mich beleidigen.«
»Ich kann mich an Ihren Zustand erinnern, Ihnen ging es sehr schlecht, Sie waren mit den Nerven am Ende und kaum noch zurechnungsfähig.«
»Die Sorge um das Buch lastete unendlich schwer auf mir«, sagte der Professor.
»Was ich sagen kann, ist Folgendes: Vor etwa drei Monaten habe ich von einem Mann gehört, der Mittelsmann beim Verkauf einer alten isländischen Handschrift ist. Wenn ich es richtig verstanden habe, tauchte dieses Objekt aus purem Zufall vor einiger Zeit oder vielleicht sogar schon vor einigen Jahren hier in der Stadt auf. Ich weiß nichts darüber, ob der Verkauf getätigt wurde. Der Zwischenhändler heißt Arthur Glockner. Über ihn weiß ich wenig, aber er hat irgendwelche Handelsbeziehungen zu Island.«
»Zu Island?«
»Ja, Island. Er besitzt eine große Firma in Bremerhaven, aber ist auch hier in Berlin tätig.«
»Was ist das für eine Geschäftsverbindung? Wissen Sie, mit wem oder womit er handelt?«
»Nein, ich kenne diesen Mann nicht persönlich. Wahrscheinlich geht es wohl um isländischen Fisch. Habt ihr etwas anderes zu verkaufen als Fisch?«, fragte Färber.
»Sie wissen aber nicht, ob der Verkauf stattgefunden hat?« »Normalerweise erfährt man etwas davon, wenn irgendeine Rarität oder etwas Bedeutendes auf dem Markt ist. Das war aber bei diesem Objekt nicht der Fall. Ich selbst habe nur per Zufall davon erfahren, und was ich gehört habe, war ziemlich unklar. Es muss sich um eine sehr private und geheime Transaktion handeln.«
»Glockner?«
»Ja. Arthur Glockner ist … wie soll man sagen … ein Amateur, er ist kein professioneller Sammler, sondern agiertganz laienhaft. Das ist immer ein großer Unterschied. Er macht sich durch seine Unkenntnis überall lächerlich.«
»Wissen Sie, wer der Käufer ist?«
»Nein. Wie gesagt, mehr weiß ich nicht darüber, noch nicht einmal, ob es tatsächlich dasselbe Objekt ist, nach dem Sie suchen. Es hieß nur, dass das Buch aus Zufall oder auf ungewöhnlichen Wegen in seine Hände gelangt ist. Und jetzt glaube ich, dass ich Ihnen nicht weiter behilflich sein kann. Klaus, würdest du die Herren bitte zur Tür begleiten? Auf Wiedersehen.«
Kurz darauf standen wir wieder auf der Freitreppe vor Färbers Villa. Der Professor warf einen Blick auf seine Uhr. Es war halb elf und zu spät, um sich jetzt auf die Suche nach diesem Glockner zu machen. Wir beschlossen, wieder in unsere Pension zurückzukehren und am nächsten Morgen Erkundigungen über diesen Glockner einzuziehen.
»Das könnte der Codex Regius sein, Valdemar«, sagte der Professor und stellte den Mantelkragen hoch. Es war im Lauf des Abends empfindlich kalt geworden.
»Denkbar«, sagte ich, und wir marschierten los.
»Du hast Recht, Valdemar, wir sollten uns keine allzu großen Hoffnungen machen. Wir versuchen morgen früh, diesen Glockner zu finden, und dann werden wir sehen. Es ist keineswegs sicher, dass etwas dabei herauskommt.«
Wir marschierten eine Weile schweigend in der Kälte weiter.
»Da ist etwas, was ich nicht so recht verstehe«, sagte ich vorsichtig.
»Ja, was ist das, Valdemar?«
»Wenn du damit drohst, die Polizei einzuschalten …«
»Ja?«
»Ich denke darüber nach … Wenn du das Buch findest und es sich im Besitz eines Mannes befindet, der es einem anderen abgekauft hat, der es zuvor besessen hat … Ichmeine, wie willst du das Buch wieder zurückbekommen? Was wirst du tun?«
»Das wird sich herausstellen«, sagte der Professor.
»Du kannst es doch kaum kaufen.
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