Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
schon länger Magier als du.«
»Du hast Recht«, erwiderte Jaryd und hob beschwichtigend die Hände. »Ich hätte das nicht sagen sollen, und ich entschuldige mich dafür. Aber ich bin einfach durcheinander. Ich habe immer wieder überlegt, was ich eigentlich getan habe, um dich zu beleidigen.«
Alayna lächelte bedauernd und schüttelte den Kopf. »Du hast nichts getan, jedenfalls nicht mit Absicht.« Jaryd neigte den Kopf leicht zur Seite. »Nicht mit Absicht? Das verstehe ich nicht.«
»Ich weiß«, sagte Alayna. Sie holte tief Luft. »Können wir nicht einfach noch mal von vorne anfangen? So tun, als wäre nichts geschehen? Geht das?«
Jaryd grinste und nickte. »Ja, sicher.«
Sie erwiderte sein Lächeln. »Gut.«
Sie sahen einander noch einen Moment lang an, dann spähte Jaryd zu den anderen. »Wenn du ein bisschen schlafen willst«, bot er an, »können wir uns abwechselnd um Sartol kümmern. Ich bin sicher, dass die anderen ebenfalls helfen wollen, und ich könnte die erste Wache übernehmen.«
»Danke, aber ich glaube nicht, dass das notwendig ist.« Sie sah den schlafenden Magier an. »Es scheint ihm ganz gut zu gehen. Und wenn er mich braucht, wird Huvan mich wecken«, fügte sie hinzu und zeigte auf Sartols große Eule, die ein paar Fuß entfernt auf einem Ast hockte, die gelben Augen groß und wachsam, die Ohrfedern erwartungsvoll gesträubt.
»Also gut«, sagte Jaryd und stand auf. »Schlaf gut.« Er ging ein paar Schritte aufs Feuer zu und drehte sich dann noch einmal zu Alayna um. »Und danke.« Sie lächelte, und Jaryd machte sich auf die Suche nach einem Schlafplatz. Er war glücklicher als seit vielen Tagen.
»Cailin!«, hörte sie ihre Mutter rufen. Die Stimme war leise und schien von weit her zu kommen. »Cailin! Es ist beinahe Zeit zum Abendessen!«
Das kleine Mädchen lächelte und spielte weiter in dem schlammigen Sand am Flussufer. Beinahe Zeit zum Abendessen, hatte Mutter gesagt. Das bedeutete, dass sie noch einen Augenblick lang spielen konnte, bis dann ihr Vater nach ihr rufen würde. Wenn Papa rief, dann ging sie immer gleich zurück zum Haus. Papa wurde manchmal böse, wenn sie nicht sofort heimkam, wenn er rief.
Sie stand auf, bewunderte ihre Arbeit und schob sich das dunkle Haar mit einem schmutzigen Handrücken aus der Stirn. Dann erst bemerkte sie den Sand an ihrer Hand und wischte sich beide Hände vorn an ihrem schlichten beigefarbenen Kleid ab.
Die Burg, die sie am Fluss gebaut hatte, war beinahe fertig, aber sie wollte noch nicht aufhören. Manchmal kamen ältere Jungen aus ihrer Schule vorbei, wenn sie Burgen baute und sie über Nacht stehen ließ, und zerstörten ihr Werk. Cailin war sich nicht sicher, warum sie das taten, aber inzwischen rechnete sie damit. Und diese Burg war so gelungen, dass sie einfach noch eine Weile hier bleiben und sie bewundern wollte, bevor sie nach Hause ging. Die Burg hatte hohe, dicke Mauern mit Wehrgängen darauf und einem runden Turm an jeder Ecke, von wo aus die Wachen in alle Richtungen sehen konnten. In der Mitte des Hofs stand das Hauptgebäude, das sehr groß war und Fenster hatte, aus denen man über die Mauer hinweg die trägen Fluten des Moriandral sehen konnte. Oben auf dem Gebäude gab es bunte Flaggen, die im Wind flatterten, und dahinter lag, beleuchtet von der Spätnachmittagssonne, der schöne Garten der Prinzessin, die dort wohnte.
Cailin suchte noch ein paar glatt geschliffene Flusssteine, wie sie sie schon für die Fenster benutzt hatte, und schob sie vorsichtig in die sandige Fassade des Hauses. Sie hatte weiches, grünes Gras und ein paar winzige gelbe Blüten für den Garten gefunden, und sie hatte Blätter eines Baums, der am Ufer stand, als Flaggen verwendet und sie auf das Burgdach gesteckt. Aber am stolzesten war sie auf den tiefen Graben, den sie rings um die Burganlage gegraben hatte. Mit Hilfe eines spitzen Stocks hatte sie einen Kanal von einem Teich am Flussufer zum Graben gezogen und ihn auf diese Weise mit Wasser voll laufen lassen. Sie platzierte die letzten Steinfenster und betrachtete abschätzend die fertige Burg. Das hier war, entschied sie, die schönste, die sie bisher gebaut hatte.
»Cailin!«, rief ihr Vater. »Komm jetzt. Zeit zum Abendessen!«
Mit einem letzten Blick auf ihr Kunstwerk kletterte das kleine Mädchen das Ufer zum hohen Gras von Tobyns Ebene hinauf und lief auf die Holzhäuser zu, die am Rand der dunklen, waldigen Hügel standen. Dabei zählte sie vor sich hin: »Ein-eintausend,
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