Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
forschend an. »Hast du von Amarids Gesetzen gehört?«
»Ich weiß, dass es sich um die Leitlinien des Ordens handelt«, sagte Jaryd mit einem verlegenen Lächeln, »aber nicht, was darin festgelegt ist.«
Baden schüttelte betrübt den Kopf. »Alle sollten diese Gesetze kennen«, sagte er leise, »aber das ist nicht deine Schuld.« Dann hob er die Stimme ein wenig. »Also vernimm sie nun, und vergiss sie niemals wieder:
Magier sollen den Menschen des Landes dienen. Sie sollen Schlichter von Streitigkeiten sein. Sie sollen ihre Macht nutzen, um in Zeiten der Not Hilfe und Trost zu spenden. Magier dürfen ihre Macht niemals nutzen, um Bezahlung oder Dienste von Machtlosen zu erhalten.
Magier dürfen ihre Macht niemals gegeneinander einsetzen. Streitigkeiten zwischen Magiern werden vom Orden geschlichtet.
Magier dürfen ihren Vögeln niemals Schaden zufügen.« Seine Worte hallten mit einer Macht und Klarheit in die stille Nacht hinaus, die Jaryd an den Klang des Schmiedehammers seines Vaters erinnerten. Nachdem das letzte Wort verhallt war, umgab abermals eine seltsame Stille das Lager. In der Ferne rief eine Eule, und Anla wurde plötzlich auf Badens Schulter wieder wach und gab heiser Antwort. Als Baden wieder sprach, klang er müde. »Wir sollten jetzt schlafen. Selbst wenn wir in Taima Rast machen, steht uns morgen ein beträchtlicher Weg bevor.«
Baden legte sich neben das Feuer, und Jaryd tat dasselbe, ohne sich noch die Mühe zu machen, seinen Schlafsack aus dem Gepäck zu holen. Der Atem des Eulenmeisters wurde bald langsam und gleichmäßig, aber Jaryd lag noch lange wach. Er dachte über Amarid und Theron nach, über Geister, und darüber, was es bedeutete, dazu verurteilt zu sein, auf ewig umherzuwandern; und er dachte an die Gefühle, die zwei Freunde dazu bringen konnten, einander und dem Orden, den sie geschaffen hatten, solche Dinge anzutun. Nach und nach brannte das Lagerfeuer nieder, bis nur noch ein paar glühende Kohlen übrig waren, die knisternd in die Feuergrube sackten. Im Dunkeln konnte Jaryd die hellen Sterne über seinem Kopf deutlich erkennen, und er blieb noch ein wenig länger wach und suchte nach den Sternbildern, die er kannte. Duclea, die auf den Knien lag und um ihre Söhne und über den Zorn ihres Mannes weinte; Leora in ihrem ewigen Tanz und Arick, tiefer am westlichen Himmel, der die Faust hoch über dem Kopf erhoben hatte, um das Land zu spalten, das er für Tobyn und Lon geschaffen hatte. Als Jaryd endlich in einen unruhigen Schlaf fiel, träumte er von einem Magier. Zunächst dachte er in einer Ecke seines Geistes, die den Traum beobachtete, er sähe sich selbst, wie er eines Tages sein würde. Aber dieser Magier hatte einen Ceryll von tiefem Rot und einen dunklen Vogel mit seltsam glitzernden Augen. Während Jaryd noch zusah, kam der Magier auf ihn zu und streckte eine Hand aus, in der er einen schmalen, schwarzen Gegenstand trug. Dabei hielt er sich die ganze Zeit im Schatten seines Umhangs und der Kapuze, und es war nicht einmal zu erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Aber als die Gestalt näher kam, sah Jaryd, dass es sich bei dem Gegenstand um eine schwarze Feder handelte, und als Jaryd sie in die Hand nahm, flackerte sie hell auf und verwandelte sich dann in graue Asche.
Jaryd erwachte, als Baden ihn sachte schüttelte. Das hagere, ernste Gesicht des Magiers war im frühen Morgenlicht deutlich zu erkennen.
»Ich hatte letzte Nacht eine seltsame Vision«, sagte Baden. »Ich weiß nicht, was sie zu bedeuten hatte, aber ich denke, wir sollten uns auf den Weg machen.« Jaryd nickte träge und versuchte wach zu werden. Baden bot ihm den letzten Rest Trockenfrüchte und ein wenig Wasser an, und schon bald hatten sie das Lager verlassen und sich auf den Weg zur Stadt gemacht. Sie gingen so schnell, wie der steile Abhang es zuließ. Baden, der es offenbar eilig hatte, Taima zu erreichen, sprach wenig, und Jaryd verbrachte den größten Teil der Zeit damit, noch einmal über die Geschichte nachzudenken, die er am Vorabend gehört hatte. Sie machten mittags kurz Rast, um ihre Wasserschläuche an einer kleinen Quelle aufzufüllen und den Rest ihres Trockenfleischs zu essen, und dann stiegen sie weiter ins Tal hinab.
Der schwere Geruch von verbranntem Holz und Getreide erreichte sie nur eine oder zwei Stunden später, und von einer kleinen Lichtung am Fuß des Berges aus konnten sie Taima zum ersten Mal sehen. Eine unnatürliche Wolke aus dunklem,
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