Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
lassen.« Bei diesen Worten zog Leyton ein großes Messer und richtete es bedrohlich auf Baden. Anla, die stets aufmerksam auf der Schulter des Magiers saß, sträubte das Gefieder und zischte, als sie die Klinge sah. Wieder murmelte die Menge zustimmend, obwohl Jaryd diesmal auch ablehnende Stimmen hörte. Langsam und verstohlen legte er die Hand an den Griff seines eigenen Dolches.
Baden betrachtete das Messer sehr gefasst. »Sag mir eins, Leyton - wenn ich mir tatsächlich die Mühe gemacht und Taima bei Nacht und heimlich angegriffen hätte, wie du es von mir behauptest, warum sollte ich dann bei Tageslicht hierher zurückkehren und riskieren, dass man mich entdeckt?« In der Stimme des Eulenmeisters lag nicht einmal ein Hauch von Angst.
Aber auf diese Frage war Leyton vorbereitet. »Vielleicht bist du noch nicht fertig mit uns. Vielleicht ist all dies Teil deines Plans. Du möchtest dir unser Vertrauen erschleichen, indem du unsere Brandwunden heilst, nur um uns abermals zu verraten. Oder vielleicht möchtest du dich einfach an deinem Erfolg weiden. Ich bin ein einfacher Mann, Sohn Amarids. Ich behaupte nicht, dass ich verstehe, was einen mächtigen Magier treibt, solche Dinge zu tun.« Baden nickte. »Ich verstehe. Und wenn ich dir so mächtig vorkomme, wie du sagst« - plötzlich war der Tonfall des Magiers kalt und herrisch geworden -, »was sollte mich dann davon abhalten, dich hier an Ort und Stelle zu vernichten, bevor du beenden kannst, was du mit dieser Klinge vorhast?«
Zum ersten Mal erkannte Jaryd eine gewisse Unsicherheit in Leytons Augen. Die Hand mit dem Messer sackte nach unten, und wieder liefen ihm Tränen über die Wangen. Nun erhob sich eine Stimme aus der Menge. »Aber wenn du nicht hergekommen bist, um uns zu vernichten, warum dann?«
»Das ist eine berechtigte Frage«, erwiderte Baden und wandte sich dabei an alle Versammelten. »Mein Begleiter und ich sind auf dem Weg nach Amarid, zur Versammlung des Ordens. Und ich versichere euch, dass wir Ordensmitglieder herausfinden werden, wer diese Dinge getan hat, und wir werden den oder die Täter aufhalten. Ich gebe euch mein Wort, ich schwöre im Namen Aricks, dass mein Freund und ich nichts mit dem Brand in eurer Stadt zu tun hatten.«
Es wurde ruhig auf dem Marktplatz. Für einen Zeitraum, der Jaryd sehr lange vorkam, sagte niemand etwas. Dann trat eine Frau aus der Menge. Sie stützte einen Mann, der eine schlimme Verletzung an der Stirn hatte, und sie sah Baden flehend an. »Kannst du meinen Mann heilen?«, fragte sie, und ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Gerne«, antwortete Baden mit freundlichem Lächeln.
Während des ganzen restlichen Nachmittags heilte Baden die Brand- und Risswunden der Städter. Jaryd und Cullen halfen ihm dabei, indem sie sich um jene kümmerten, die noch warten mussten. Während Baden sich um Wunden kümmerte, die unter seiner Berührung heilten und verschwanden, sahen ihn viele derjenigen, um die er sich kümmerte, allerdings misstrauisch an - ihn und die Eule auf seiner Schulter. Einige wenige, darunter Leyton, weigerten sich, sich helfen zu lassen. Aber die meisten akzeptierten die Hilfe des Eulenmeisters, und als Cullen Baden und Jaryd zu seinem Haus am Rand der kleinen Stadt führte, blitzten schon die ersten Sterne an einem dunkler werdenden Himmel.
Cullens und Gaynas Haus stand in Sichtweite des Dhaalismin, ein ganzes Stück vom Marktplatz entfernt. Ihr Haus war größer als die meisten, die Jaryd in Taima gesehen hatte, aber wie alle anderen bestand es aus getrocknetem rotem Lehm und hatte ein tief heruntergezogenes Strohdach. Anders als die hohen Holzhäuser von Accalia war es ein recht niedriges Gebäude, vielleicht, dachte Jaryd, damit es besser vor dem starken Wind geschützt war, der über die Ebene fegte. Mehrere Holzschuppen neben dem Haus beherbergten Kühe, Schweine, Pferde und Geflügel, und in einem großen, gepflegten Garten hinter dem Haus reckten sich frische grüne Schösslinge in ordentlichen Reihen aus dem dunklen Boden. Als Cullen sie hereinführte, merkte Jaryd sofort, dass dieses Haus so gemütlich war, wie es von außen aussah. Die Haustür öffnete sich in ein großes Zimmer, das hell beleuchtet war von dem Licht aus der Feuerstelle am anderen Ende und von mehreren Lampen, die an den Wänden hingen und deren Schein sich im polierten Holzboden spiegelte. Nahe der Feuerstelle standen zwei zueinander passende bequeme Stühle aus dunklem Holz mit ausgeprägter Maserung.
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