Coe, David B. - Die Chroniken von Amarid 01 - Der Fluch des Magiers
Auf jeder Sitzfläche lag ein kleines, aus Stoffresten zusammengesetztes Kissen, dessen Muster zu dem des Sofas passte, das den Stühlen auf der anderen Seite der Feuerstelle gegenüberstand. Dazwischen befand sich ein niedriger Tisch, der aus demselben schönen Holz gemacht war und auf dem eine Karaffe mit dunklem, rotem Wein und zwei Kristallgläser standen.
Durch eine offene Tür links von Feuerstelle und Stühlen konnte Jaryd in eine Küche sehen, in der schimmernde Kupfertöpfe und Pfannen an der Wand hingen. Diese Küche war es auch, von der ein wunderbarer Bratenduft ausging, und Jaryd bemerkte mit einem beinahe schmerzlichen Magenknurren, dass er großen Hunger hatte. »Bist du das, Cullen?«, erklang eine angenehme Stimme aus der Küche. Einen Augenblick später kam eine Frau heraus.
Wenn er nicht gewusst hätte, dass Cullen und Gayna verheiratet waren, hätte Jaryd sie wohl für Bruder und Schwester gehalten. Wie ihr Mann hatte auch Gayna schneeweißes Haar, eine rosige Gesichtsfarbe und dunkelblaue Augen. Aber wo er schlank und drahtig war, war sie kräftig und rund.
Als sie den Eulenmeister sah, legte sie das Geschirrtuch hin, das sie in der Hand gehabt hatte, und ging auf ihn zu. »Baden«, sagte sie mit liebevollem Lächeln und umarmte ihn. »Du warst viel zu lange weg.«
Der Magier erwiderte ihr Lächeln. »Schön, dich wiederzusehen, Gayna. Es tut mir nur Leid, dass der Anlass nicht freudiger sein konnte.«
Ihr Lächeln erstarb. »Ich weiß.« Sie sah Cullen an. »Konntet ihr etwas von dem Getreide retten?«
Cullen schüttelte den Kopf, und sie verzog nachdenklich das Gesicht. »Nun«, seufzte sie, »wir haben hier genug Vorräte, um den größten Teil der Aussaat der Stadt damit zu bestreiten. Es gefällt mir nur nicht, dass dann überhaupt nichts übrig bleiben wird, falls sich noch einmal so etwas wie letzte Nacht ereignet.« Sie hielt inne und sah ihren Mann traurig an. Dann bemerkte sie Jaryd, und ihre Miene hellte sich wieder auf. »Ich wollte wirklich nicht so missmutig sein, vor allem nicht, wenn wir Gäste haben.« Sie streckte eine sonnengebräunte, von der Arbeit schwielige Hand aus. »Ich bin Gayna. Willkommen.«
Jaryd schüttelte die Hand und spürte ihren festen Griff. »Jaryd. Schön, dich kennen zu lernen.«
»Jaryd ist mein Schüler«, fügte Baden hinzu, obwohl das kaum nötig gewesen wäre. »Ich nehme ihn mit zur Versammlung.«
»Pass auf, dass er dich auch richtig behandelt, Jaryd«, rief Gayna ihm über die Schulter zu, als sie in die Küche zurückkehrte. Kurz darauf kam sie mit zwei Weingläsern wieder heraus und stellte sie auf den Tisch.
»Tatsächlich - und das könnte dich auch interessieren, Cullen - ist er nicht nur mein Schüler, sondern auch Bernels Sohn.«
Cullen sah Jaryd erstaunt an, und Gayna ging ein paar Schritte auf ihn zu und schaute ihm forschend ins Gesicht. »Jetzt, wo du es sagst«, meinte sie zu Baden, »kann ich tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit feststellen. Sowohl mit dir als auch mit Bernel.«
»Ihr kennt meinen Vater?«, fragte Jaryd.
»Ja«, antwortete Cullen. »Wir kannten auch deine Großeltern.«
»Als dein Vater und ich noch Kinder waren«, erklärte Baden, »reisten wir manchmal mit unserer Mutter zu den Versammlungen. Und dabei legten wir oft hier Rast ein.
Tatsächlich war ich es, der Gayna und Cullen miteinander bekannt gemacht hat.«
Cullen lachte. »Er will damit sagen, dass er in Gayna verschossen war und sie zum Abendessen mit zu meinen Eltern brachte. Und ich habe sie ihm ausgespannt.«
»Cullen verschweigt dabei allerdings«, bemerkte Gayna, die schon wieder auf dem Weg in die Küche war, »dass wir damals alle nicht älter als zwölf waren und dass er noch vier weitere Jahre brauchte, um auch nur den Mut aufzubringen, mich um einen gemeinsamen Spaziergang zu bitten.«
Jaryd schloss sich ihrem Gelächter an, während Cullen zum Tisch ging und die vier Gläser mit Wein füllte. Als Gayna mit einem Korb voll Brot und einer Holzplatte mit drei Stücken Käse darauf zurückkehrte, hoben sie alle die Gläser. »Auf alte Freunde«, sagte Cullen und fügte dann mit einem Blick zu Jaryd hinzu, »und auf neue! Möge Arick euch auf eurer Reise leiten.«
Baden nickte, um den Toast entgegenzunehmen, und dann tranken alle einen Schluck.
»Du siehst gut aus, Baden«, stellte Gayna nach kurzem Schweigen fest. Sie wandte sich dann der Eule des Magiers zu, die auf den Kaminsims geglitten war und dort nun geduckt und reglos saß
Weitere Kostenlose Bücher