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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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meinem Leben noch keine Textnachricht von
einem Mann bekommen, die mit einem Kuss endete. Es wäre absolut unvorstellbar,
von Trevor eine SMS zu bekommen, die mit einem Kuss endet. Was wollte Clive mir
damit sagen? Ich wünschte, es wäre nicht viel zu spät gewesen, Lucy anzurufen
und um ihre Meinung zu bitten. Sie hätte mir zumindest sagen können, ob es
normal war oder nicht.
    Der Gedanke war mir
unbehaglich. Ich schlief schließlich ein, aber der Dokumentarfilm über
Crowhurst hatte mir unheilvolle, beunruhigende Bilder auf die Seele gestempelt.
Sie waren noch da, schwammen vor mir her, während mein Atem ruhiger wurde. Das
Fallen und Steigen der Wellen ... Crowhursts Gesicht, das mich (stärker als je
zuvor) an das meines Vaters erinnerte ... das Fallen und Steigen der Wellen ...
Rodney Hallworth und seine »alte Blechbüchse« ... das Fallen und Steigen der
Wellen ... Wo hatte ich diesen Ausdruck schon mal gehört?  ... Rodney Hallworth
... Lindsay Ashworth ... das Fallen und Steigen .... Rodney Hallworth ...
Lindsay Ashworth .... das Fallen und Steigen ... das Fallen und Steigen ...
     
    Von KENDAL bis BRAEMAR
     
    16
     
    »Okay, Emma, so langsam wird
mir alles klar. So langsam kriegt alles seinen Sinn.«
    Folgen Sie dem Straßenverlauf.
    »Ich weiß nicht, was dazu geführt
hat, aber ich scheine zu Donald Crowhurst zu mutieren. Mich in ihn zu verwandeln.
Vielleicht ist es Schicksal, vielleicht Bestimmung - was auch immer - aber ich
kann offenbar nichts dagegen tun. Es geschieht, ob es mir gefällt oder nicht.«
    Biegen Sie nach circa einem
Kilometer rechts ab.
    Wir hatten Kendal vor zehn
Minuten verlassen und fuhren auf der A6 in Richtung Penrith. Das Wetter hatte
sich verschlechtert, schwere Tropfen, eine Mischung aus Regen und Graupel,
klatschten gegen die Windschutzscheibe. In einer Serie von Kurven kletterte
die Straße eine wilde, grüne Landschaft hinauf.
    »Da fahre ich hier durch die
Gegend, in einem Auto, das neu und innovativ sein soll, ein radikaler Schritt
nach vorne in Design und Technik - genau wie Crowhursts Trimaran. Das ist doch
so etwas wie eine moderne Version der Teignmouth Electron, und ich halte das Ruder.«
    Als wir von der A6 auf den
Zubringer zur Anschlussstelle Nr. 39 zur M6 bogen, sah ich zur Linken die
riesigen Schlote der Corus-Kalksteinwerke, die versteckt am Ende einer langen,
irgendwie bedrohlichen Privatstraße lagen, die ihnen das Aussehen einer
geheimen Militäranlage gab. Nach ein paar Minuten hatten wir die
Anschlussstelle zur M 6 erreicht.
    Halten Sie sich im
Kreisverkehr links und nehmen Sie die erste Ausfahrt.
    »Und wenn man bedenkt, wer die
anderen Hauptakteure in dieser Geschichte waren. Rodney Hallworth, Stanley
Best - erinnern dich die Namen an jemanden? Es passt alles zusammen.«
    Nehmen Sie jetzt die Ausfahrt.
    »Also, was geht hier vor? Bin
ich auf irgendeine Art von ihm ... besessen? Oder verliere ich den Verstand?
Und wenn ich den Verstand verliere, ändert das etwas? Denn es wäre ja nur ein
weiteres Indiz dafür, dass ich mich in ihn verwandle, oder? Was meinst du,
Emma? Was würdest du mir raten?«
    Folgen Sie der Autobahn.
    Ja, das schien mir das
Vernünftigste zu sein. Was anderes blieb mir in der Situation auch gar nicht
übrig.
    Es ging auf halb eins. Nach
einem ausgiebigem Bad im Travelodge war ich noch mal nach Kendal zurückgefahren
und ein bisschen durch die Stadt spaziert, hatte versucht, an der Tatsache,
dass ich in einem anderen Teil des Landes war, Freude zu finden, das
unerklärliche Gefühl der Fremdheit abzuschütteln, das seit meinem Aufbruch aus Watford
vor zwei Tagen immer stärker von mir Besitz ergriffen hatte. Ich war drei
Wochen in Sydney gewesen, ohne ein einziges Mal dieses Gefühl zu haben -
weshalb erschien mir dann jede neue englische Stadt, in die ich kam, noch
unwirklicher als die davor? Das konnte durchaus etwas mit meiner wachsenden
Fixierung auf Crowhurst zu tun haben. Ich verlor zunehmend den Kontakt zu mir
selbst: Manchmal hatte ich das Gefühl, neben mir zu stehen und mich von Kopf
bis Fuß zu betrachten; an diesem Vormittag in Kendal hatte ich einen Moment
lang das Gefühl gehabt, die High Street von oben zu beobachten und mich mitten
zwischen den anderen Einkaufsbummlern dort unten entlanggehen zu sehen, wie
herausgehoben aus der perfekt komponierten Einstellung eines Films mit
Hunderten insektengleicher Menschen im Vordergrund und dem gewaltigen Rund der
Bergkette, die eine ferne, wie in Öl gemalte, nicht ganz real

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