Coe, Jonathan
länger zu dauern - gegen den
Uhrzeigersinn ab Anschlussstelle 23, das ist die A1 (M) bis Watford, Anschlussstelle 19. Und gerade wird noch ein
Unfall von der M 25 gemeldet, gegen den
Uhrzeigersinn von Anschlussstelle 5, die Abzweigung zur M 26. Und dann haben wir noch Cambridge - ein Unfall auf der All in
nördlicher Richtung, sie ist ab Papworth Everard gesperrt, das ist nördlich von
der A428 bei Caxton Gibbet ...«
»Tut mir leid, Emma«, sagte
ich und schaltete das Radio aus. »Es ist nicht so, dass ich dich nicht mehr
hören kann - aber weißt du, manchmal braucht man einen Szenenwechsel, andere
Leute um sich ...«
Folgen Sie nach etwa einem
Kilometer der linken Spur.
»Ich wusste, dass du mich
verstehst«, sagte ich dankbar. Nach dem schrillen, einschüchternden Monolog des
Verkehrsfunksprechers klang Emmas Stimme liebenswürdig und beruhigend.
Wir waren nur noch wenige
Kilometer von Edinburgh entfernt. Nach Angabe des Bordcomputers hatten wir
seit der Abfahrt in Reading vor zwei Tagen erst 660 Kilometer zurückgelegt,
aber beim Klang all der vertrauten Namen - Rickmansworth, Chorleywood und
(natürlich) Watford - bekam ich das Gefühl, an einem unvorstellbar weit
entfernten Ort unterwegs zu sein. Es war schon dunkel, und wir waren Teil einer
langen Schlange von Autos, die in gleichmäßigem Tempo die A 702 entlang
rollten, eine Begräbnisprozession aus Rücklichtern und gelegentlichen
Bremsleuchten, so weit das Auge reichte. Ein paar Minuten vorher waren wir an dem
Schild »Willkommen in Scottish Borders« vorbeigefahren, und jetzt fuhren wir an
noch einem vorbei, auf dem »Willkommen in Midlothian« stand. Es ist immer
schön, zu wissen, dass man willkommen ist.
Bald hatten wir die Ringstraße
überquert und kamen in die äußeren Vororte. Alison wohnte in einer Gegend von
Edinburgh, die als The Grange bekannt war, und ich hatte schon so eine Ahnung
gehabt, dass es sich um eine vornehme Gegend handelte. Ich wusste nicht genau,
womit ihr Mann sein Geld verdiente, aber ich wusste, dass er eine große Firma
mit Niederlassungen in vielen verschiedenen Teilen der Welt leitete und viel
Zeit auf Reisen verbrachte. Aber dann staunte ich doch, als Emma mich - als
hätte sie diese Stadt ihr Leben lang gekannt - tiefer hinein in immer breitere,
ruhigere, immer abgeschiedenere und exklusivere Straßen führte. Die meisten
Sandsteingebäude schienen mir eher Villen als Wohnhäuser zu sein. Und Alisons,
vor dem wir nun parkten, war mit Sicherheit keines der kleineren.
Sie haben Ihr Fahrtziel
erreicht, sagte
Emma, ohne auf irgendeine Weise Triumph oder Hochmut an den Tag zu legen,
nichts außer der stillen Zufriedenheit darüber, ordentliche Arbeit abgeliefert
zu haben.
Die Routenführung ist beendet.
17
Ich hatte nie damit gerechnet,
im Alter von achtundvierzig Jahren Single zu sein. Aber so war es gekommen, und
nachdem auch deutlich geworden war, dass Caroline keinerlei Absicht hegte, zu
mir zurückzukommen, würde ich früher oder später vor einem sehr speziellen
Problem stehen: Ich musste mir - wenn ich nicht als einsamer alter Mann enden
wollte - eine neue Partnerin suchen. Leider konnte ich bei jüngeren Frauen
(solchen wie Poppy) offensichtlich nicht landen, und zu älteren Frauen fühlte
ich mich nicht hingezogen.
An dieser Stelle sollte ich vielleicht
den Begriff »ältere Frauen« definieren. Ich habe mir Gedanken dazu gemacht und
rechne zu den »älteren Frauen« jede, die älter ist als deine Mutter zu der
Zeit, als du ein Teenie warst. Nehmen wir an, man beginnt mit sechzehn, die
Sexualität als ernst zu nehmendes Problem zu erleben - bis hin zu dem Punkt,
dass man an nichts anderes mehr denken kann. (Nach allem, was man hört, sind
die Jungen von heute früher dran. Die westliche Welt ist so gründlich
durchsexualisiert, dass die meisten Jungen wahrscheinlich schon mit vierzehn
über alles Bescheid wissen. Neulich erst habe ich in der Zeitung von einer
sechsundzwanzigjährigen Großmutter gelesen. In meiner Generation war das noch
anders. Wir waren die letzten Spätstarter.) Na gut, meine Mutter war siebenunddreißig,
als ich sechzehn war, und ich kann sagen, dass sie mir steinalt vorkam. Es wäre
mir nicht im Traum eingefallen, dass die Frau ein Liebesleben haben könnte,
oder ein Innenleben, geschweige denn ein Sexualleben (außer mit meinem Vater,
und auch da durfte ich mir jetzt nicht mehr sicher sein, wenn Alisons Aufsatz
auch nur ein Körnchen Wahrheit enthielt). Sexuell und emotional
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