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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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Belange fokussiert.«
    »Als da wären?«
    »Na, das Baby natürlich. Sie
bekommt ein Baby und konnte von nichts anderem reden.«
    »Ach so. Klar, dann kann ich
mir vorstellen, wie das -«
    »Weißt du, Harriet war immer
schon so. Ich hatte es nur vergessen. Ich hatte vergessen, wie sehr ich sie
hasse.«
    »Wann kriegt sie ihr Baby
denn?«, fragte ich, ziemlich entsetzt über seine Wortwahl.
    »In ein paar Monaten oder so.
Ich wollte ihrer Selbstgefälligkeit nicht auch noch schmeicheln und sie danach
fragen. Komm, lass uns ein bisschen an die Luft gehen.«
    Wir verließen den gefliesten
Dämmer des Lokals und verbrachten den Rest unserer Mittagspause im angenehmen
Grün des Finsbury Circus, der nur einen Katzensprung entfernt war. Es war
Anfang März und gerade warm genug, draußen im fahlen Sonnenlicht zu sitzen und
ein Buch zu lesen. Ich hatte ein Exemplar von The Hawk in the Rain mitgenommen, der ersten
Gedichtsammlung des damals wenig bekannten Dichters Ted Hughes. Roger las seine
gut abgegriffene Ausgabe von Witchcraft Today von Gerald Gardener. Das sensationelle
Werk war fünf Jahre zuvor veröffentlicht worden und hatte große Aufmerksamkeit
gefunden, besonders in den populären Sonntagsblättem, die ihre Leser gerne mit
der Vorstellung in Aufregung versetzten, dass sich überall im kleinbürgerlichen
England hinter scheinbar hochanständigen Fassaden Hexenzirkel fanden, in denen
sich sexueller Ausschweifungen und Akten nackter Teufelsverehrung hingegeben
wurde. Roger tat diese Berichte als reißerische Fantasien ab und behauptete im
Gegenteil, Mr Gardeners Buch sei eine der wichtigsten Veröffentlichungen der
jüngsten Zeit: Für ihn gab es keinen Zweifel, dass es ein lebendiges
spirituelles Erbe erschlossen hatte, das bis weit zurück in die vorrömische
Zeit reichte und eine wertvolle Gegentradition zum repressiven Autoritarismus
der christlichen Kirche darstellte. Mr Gardener hatte dieser alternativen
Religion den Namen »Wicca« gegeben, und ihr Hauptmerkmal war, dass in ihr zwei
Götter verehrt wurden, vielmehr ein Gott und eine Göttin, repräsentiert durch
Sonne und Mond. Da jegliche Religiosität mir fremd war, hörte ich nur mit
halbem Ohr hin, wenn Roger sich über solche Themen ausließ, aber ich kann mich
erinnern, was er an diesem Nachmittag im Finsbury Circus zu mir sagte. »Du
solltest gut darauf achtgeben, Harold, wenn es dir mit dem Schreiben ernst ist.
Alle poetische Inspiration kommt von der Göttin. Wenn du mir nicht glaubst,
kannst du's bei Robert von Ranke-Graves nachlesen. Also stell dich lieber gut
mit ihr. Unglücklicherweise« - er legte das Buch zur Seite und streckte sich
rücklings im Gras aus, den Kopf auf die gefalteten Hände gebettet - »steht sie
der Homosexualität sehr ablehnend gegenüber und hat schreckliche Strafen für
alle auf Lager, die sie ausüben. Schlechte Karten für Leute wie uns.«
    Ich sagte nichts, aber bei
diesem letzten Satz, den er so beiläufig fallen ließ wie eine
selbstverständliche Wahrheit, lief ein Zittern des Protests durch meinen
Körper. Ich wusste, dass Roger manchmal einen geradezu kindlichen Spaß an
Provokationen hatte. Ich erinnere mich, dass er noch am selben Nachmittag von
seiner Absicht sprach, einen Fluch auf seine Schwester zu legen.
    Bei alldem vergaß Roger
keineswegs die eher materielle Seite unserer Beziehung. Im Lauf der nächsten
Wochen kam es zu einer ganzen Reihe weiterer finanzieller Arrangements mit
Crispin Lambert und seinen diversen Buchmachern. Von denen eines ehrgeiziger
und elaborierter war als das andere. Ich hörte von Dreierwetten, Viererwetten
und Akkuwetten. Dann stiegen wir auf zu Platzzwillingswetten, Fivespots,
Pontons und Pick-Drei- und Pick-Vier-Wetten. Jede Wette wurde einzeln notiert:
Crispin kalkulierte den Wert für den Fall des gewünschten Zieleinlaufs und
überließ uns die Option, ihm den Wettschein abzukaufen, sobald der Ausgang des
Rennens offiziell war. Irgendwie - ich vermute, weil Roger und Crispin bei
ihren Kalkulationen und dem Studium der Pferde sehr akkurat vorgingen -
schienen wir jedes Mal einen Profit zu machen, und jeder ging als Gewinner aus der
Wette hervor. Bald wurden wir kühner, und die Vereinbarungen, die wir
unterschrieben, gaben uns nicht mehr nur die Option, Crispin den Wettschein
abzukaufen, sondern erlegten uns die Verpflichtung auf. Wir entschieden uns dafür, weil er uns unter diesen
Umständen ungleich günstigere Konditionen bieten konnte, auch wenn unser Risiko
natürlich

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