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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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auch den Rest der Welt verarschen, aber
das ist nicht das Hauptproblem - das Hauptproblem ist es, uns selbst zu
überzeugen, oder? Ist es nicht so, Donald, alter Seebär? Alter Schiffskamerad?
Na?« Folgen
Sie dem Straßenverlauf.
    »Ich weiß, Emma, mit dir
sollte ich reden. Fühlst du dich schon vernachlässigt? Oder machst du dir
langsam Sorgen, wenn du mich hier an jemanden hinreden hörst, der seit vierzig
Jahren tot ist und den ich nicht einmal gekannt habe? Das ist nicht in Ordnung,
oder? Nicht gesund. Man könnte fast glauben, ich hätte einen Whisky zu viel
erwischt, bevor ich mich hier hinters Lenkrad dieser grandiosen Limousine
gesetzt habe. Ich glaube nicht an Spuk und Geister, und du ganz bestimmt auch
nicht. Natürlich nicht. Wenn du etwas bist, dann vernünftig. Die reinste
Vernunftmaschine. Du hast weder Körper noch Seele, nur deinen Verstand, und das
gefällt mir. Was sollte ich mit jemandem anfangen, der einen Körper und eine
Seele hat? Und was sollte jemand, der einen Körper und eine Seele hat, mit
einem wie mir anfangen? Nein, wir sind füreinander geschaffen, Emma, du und
ich. Wir sind wie diese »kosmischen Wesen«, in die wir uns nach Crowhursts
Überzeugung irgendwann alle verwandeln. Körperlos. Zu gut für die physische
Welt. Wir passen so gut zusammen, dass ich nicht umhin kann, dich etwas zu
fragen: Willst du meine Frau werden? Na los - ich meine es ernst. Schwule und
Lesben treten heutzutage in den Stand der Ehe, da wird ein Mann doch wohl noch
sein Navi heiraten dürfen, oder? Was ist dagegen zu sagen? So liberal und
tolerant und aufgeklärt, wie wir in diesem Land alle sind. Na los, was sagst
du? Heirate mich. Lebe mit mir zusammen, als meine Frau. Wie lautet deine
Antwort?«
    Folgen Sie der Autobahn.
    »Nanu, wir sind schon auf der
Autobahn? Wie ist das denn passiert? Hab ich gar nicht mitgekriegt. Und welche
Autobahn ist das jetzt? M 60? Perth, offenbar Perth, und danach Dundee, und
dann Forfar. Forfar! Das ist mal ein Name. Ein Name, um damit zu zaubern. Hat
der Typ, der auf BBC die Fußballergebnisse verlesen hat, nicht gesagt, dass es
kaum etwas Schwierigeres gibt? East Fife 4, Forfar 5 oder so ähnlich. Wenn ich
genau darüber nachdenke, erinnert mich die ganze Gegend hier irgendwie an
Fußballergebnisse. Cowdenbeath. Dunfermline. Arbroath. Bis heute hatte ich
keinen blassen Schimmer, wo diese Käffer liegen, aber die Namen wecken
Erinnerungen. Samstagnachmittag vor dem Fernseher. Final Score. Wann kam das immer? Zwanzig
vor fünf, glaube ich. Ja, das könnte hinkommen. Anstoß um drei, Spielende um
Viertel vor fünf. Und dann tickerten die Ergebnisse aus dieser kleinen
automatischen Schreibmaschine. Wie nannten sich die Dinger? Fernschreiber oder
so ähnlich. Sechziger Jahre-Technologie! Gott, was sich seitdem alles geändert
hat: Wie alt war ich, als ich angefangen habe, mich davor zu hocken - sieben,
acht Jahre? Ich wette, jeder achtjährige Junge im ganzen Land hat am
Samstagnachmittag zur Teestunde im Wohnzimmer gesessen, vor dem Fernseher
angewachsen. Und bei wie vielen von ihnen wohl der Vater daneben gesessen hat?
Hat mein Vater auch mal neben mir gesessen und sich mit mir zusammen Final Score angeschaut? Na los, Emma, was
denkst du? Drei Mal darfst du raten. Natürlich nicht, der miese alte Sausack.
Er hatte zu viel zu tun, nebenan im Esszimmer sitzen und T. S. Eliots Streichquartette lesen. Oder darüber
nachdenken, wann er sich den nächsten runterholen wollte.«
    Komm, Max, hob mal ein
bisschen Mitgefühl mit deinem Vater.
    »Was zum ...? Hast du mir
gerade geantwortet?«
    Folgen Sie der Autobahn.
    »Okay, ich glaube, ich schalte
dich mal für eine Weile ab. Du scheinst langsam größenwahnsinnig zu werden.«

 
    »Fürs Erste bin ich ohne sie
besser dran. Bis ich sie wieder brauche jedenfalls. Verfahren kann man sich
hier ja wohl nicht. Überhaupt, wozu fahre ich eigentlich noch nach Aberdeen?
Die Nachmittagsfähre erwische ich sowieso nicht mehr. Man muss sich nur das
Wetter angucken. Ich sollte zu Alison zurückfahren. Umdrehen, zu ihr
zurückfahren, mich entschuldigen. Arme Frau. Wird von diesem Schwein von einem
Ehemann beschissen. Was würde sie wohl sagen, wenn ich so bei ihr auftauche.
Sie hätte sicher Verständnis. Ist immerhin eine ausgebildete Therapeutin. Eine
Schulter zum Ausweinen. Das brauchte ich jetzt. Jemanden, mit dem ich reden
kann über ... das alles. Die ganze Scheiße. Alles, was in den letzten Wochen so
auf den Tisch gekommen ist. 'N

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