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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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vierhundert Metern in den Kreisverkehr und nehmen Sie die zweite
Ausfahrt.
    »Bald muss ich aufhören, mir
etwas vorzumachen ...« Fahren Sie im Kreisverkehr geradeaus, zweite Ausfahrt.
    » ... und akzeptieren, was mit
mir passiert. Und das bedeutet, dass ich genau jetzt, am Donnerstag, den 5.
März 2009, um 12.09 Uhr, fünfundsechzig Kilometer südlich von Aberdeen bei
einer Geschwindigkeit von fünfundsiebzig Stundenkilometern die A90 verlassen
und diese Reise beenden werde ... Ich werde also in diesem Kreisverkehr nicht
geradeaus fahren, liebe Emma, sondern nach links und den Wegweisern nach Edzell
folgen. Na, was hältst du davon?«
    In zweihundert Metern bitte
wenden.
    »Ha! Was Besseres fällt dir
nicht ein? O nein, Emma, es hat sich ausgewendet. Ich leiste deinen Anweisungen
keine Folge mehr, und ich will dir auch sagen, warum. Weil ich nicht nach
Aberdeen fahren will und auch auf keine Fähre. Das liegt in der Logik der
Sache. Weißt du, warum? WEIL ICH NICHT MEHR MAXWELL SIM
BIN. WEIL ICH JETZT DONALD CROWHURST BIN, muss ich in seine Fußstapfen
treten und seine Fehler wiederholen. Er ist nicht um die Welt gesegelt, und
ich segle nicht zu den Shetlandinseln. Er hat es vorgezogen, seine Reise vorzutäuschen,
also mache ich es genauso, und es ist mir piepegal, wie viele Satelliten mich
dabei beobachten, von jetzt an weiß niemand mehr, wo ich bin, ich bin
verschwunden, verschwunden in der Dunkelheit des aufziehenden Schneesturms,
ich verstecke mich, ich dümple irgendwo auf dem Atlantik herum, bis der rechte
Moment gekommen ist, wieder hervorzukommen, triumphierend, mich der Welt zu
zeigen.«
    In zweihundert Metern bitte
wenden.
    »Nein. Und noch mal nein. Es
reicht, Baby. Unsere Wege trennen sich.«
     
    Biegen Sie nach circa zwölfhundert Metern schräg
rechts ab. »Da
fällt mir übrigens noch etwas ein.« Biegen Sie schräg rechts ab.
    »Vielleicht wäre es gar keine
schlechte Idee gewesen, in Brechin noch etwas nachzutanken. Wir sind seit dem
Start in Reading ungefähr ... 848 Kilometer gefahren, ohne ein einziges Mal zu
tanken. Viel kann nicht mehr drin sein.« Biegen Sie jetzt rechts ab.
    »Versuchst du immer noch, mich
zurück nach Aberdeen zu lotsen? Ich dachte, ich hätte dir klargemacht, dass der
Plan Geschichte ist. Ich glaube, hier gehf s nach links.«
    In dreihundert Metern bitte
wenden.
    »Du gibst einfach nicht klein
bei, was? Lass es, Emma. Gib auf. Es kann etwas Wunderbares sein, einfach
aufzugeben. Das Gefühl der Erleichterung ist ... unglaublich. Ich weiß noch,
wie ich es zum ersten Mal erlebt habe. Während dieses Campingurlaubs mit Chris
und seiner Familie in Coniston. An einem Tag wollten wir den Old Man of
Coniston hinaufsteigen, wir alle, und als Chris und ich den anderen auf halber
Strecke schon ein ganzes Stück voraus waren, artete es zu einem Wettrennen aus
zwischen ihm und mir. Und ehe wir uns versahen, rannten wir praktisch diesen verflucht
hohen Hügel oder Berg oder was auch immer hinauf. Schon bald hatte Chris einen
Vorsprung, es ließ sich nicht mehr verheimlichen, dass er eine bessere Kondition
hatte als ich - was eigentlich ohnehin klar gewesen war -, und irgendwann war
er meinen Blicken mehr oder weniger entschwunden, aber ich stapfte
unverdrossen weiter, völlig außer Atem, stolperte über die Felsbrocken, bekam
schreckliche Seitenstiche und rechnete sekündlich mit einem Herzinfarkt. Bis
ich mir ein paar Minuten später dachte, was soll das Ganze eigentlich, was soll
dieser Scheiß, mich an den Wegrand fallen und ihn allein den Berg hinaufrennen
ließ. Ich kannte meine Grenzen, verstehst du? Ich konnte eben nicht mit Chris
mithalten, hatte es nie gekonnt und würde es nie können. Und das zu akzeptieren
- mich so zu akzeptieren, wie ich war - bedeutete eine unglaubliche
Erleichterung. Bald hatten mich die anderen eingeholt - Mr und Mrs Byrne und
Mum und Dad und Alison -, blieben bei mir stehen, und ich kann mich erinnern,
dass Mr Byrne gesagt hat, wie, du sitzt einfach da, du versuchst es nicht
einmal? Nein, habe ich ihm geantwortet; ich war glücklich, einfach sitzen
bleiben zu dürfen, während Chris den Berg hinauf stürmte und alle anderen
hinter ihm her trampelten. Ich hatte aufgegeben, war einverstanden mit meiner
Entscheidung und bin eine Stunde oder länger einfach nur dagesessen und habe
mich an der schönen Aussicht erfreut. Ich wusste, dass ich mein Niveau gefunden
hatte, und nahm mir vor, mich nie wieder auf ein höheres schwingen zu wollen.« Folgen Sie

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