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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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verbanden. Mehr noch würde sie jetzt mit einer verzweifelten
Hoffnung nach solchen Gefühlen suchen. Sie wollte, dass man mit ihr auch so
redete. Auch sie wollte die Welt von ihrem Vater erklärt bekommen, mit
derselben Überzeugung und Kompetenz, die Chris seinen Kindern gegenüber mit
jedem Wort ausstrahlte. Als sie den anderen jetzt nachgingen, schaute sie sich
um, und Max wusste, dass sie ihre Umgebung mit einer neuen Neugier wahrnahm; er
wusste, dass sie bald ihre eigenen Fragen an ihn haben würde und von ihm
erwartete, Antworten darauf zu bekommen.
    Es geschah früher, als er
gedacht hatte.
    »Daddy«, begann sie in aller
Unschuld.
    »Hmm?«, sagte Max und wappnete
sich für den zu erwartenden Schmetterball.
    »Daddy, warum ist das Gras
eigentlich grün?«
    Max lachte, als hätte man ihm
die leichteste und harmloseste Frage der Welt gestellt; er öffnete den Mund, um
die Antwort beinahe leichtfertig von den Lippen fallen zu lassen, dann hielt er
inne und musste feststellen, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, was er sagen
wollte.
    Warum ist das Gras eigentlich
grün? Was war das denn für eine Frage? Es war eben grün. Das wusste doch jeder.
Das gehörte zu den Selbstverständlichkeiten dieser Welt. Hatte ihm denn je
jemand erklärt, warum das Gras grün war? In der Schule vielleicht? In welchem
Fach hätte das passieren können - Biologie, Geografie? Das war Jahrhunderte
her. Klar, Chris würde eine Antwort darauf wissen. Der war ja auch auf einer
vornehmen Schule, und deshalb würde er auch wissen, dass es etwas mit diesen
... Chromodingsbums oder so ähnlich zu tun hatte. Bedeutete Chromo nicht Farbe
auf Griechisch? Oder Latein? Chromosomen, hatte es was mit Chromosomen zu tun?
Oder die andere Geschichte, das, was das Sonnenlicht mit den Pflanzen machte
... Foto ... Foto ... Fotosynthese. Wurde das Zeug vielleicht davon grün ...?
    Er schaute hinunter zu Lucy.
Sie schaute zu ihm herauf, geduldig, vertrauensvoll. Einen Moment lang
erschien sie ihm so ungeheuer jung, viel jünger als sieben.
    Es half nichts. Schweigen wäre
die schlechteste aller Antworten. Er musste ihr irgendetwas erzählen.
    »Also ...«, begann er, »jede
Nacht kommen die guten Feen mit ihren kleinen Pinseln und Eimerchen mit grüner
Farbe heraus ...«
    Gott, wie er sich manchmal
selbst hasste.
     
    Caroline und Miranda waren
seit ein paar Stunden fertig mit dem Mittagessen und saßen gemütlich in der
Küche, zwischen sich auf dem Tisch eine Flasche Rotwein, die sie bereits zur
Hälfte geleert hatten.
    »Weißt du«, sagte Caroline
gerade, »das Schlimme an Max ist ...«
    Aber genau da lag das Problem.
Was war das Schlimme an Max? Und selbst wenn sie es wüsste, durfte sie es
tatsächlich dieser Frau anvertrauen, der Ehefrau des besten Freundes ihres
Mannes, einer Frau, die sie kaum kannte? (Die sie allerdings in diesem Urlaub
immer besser kennen- - und mögen - gelernt hatte.) Wäre das allein nicht schon
ein Verrat?
    Sie seufzte, verzichtete - wie
immer - darauf, der Sache auf den Grund zu gehen. »Ich weiß es nicht ... Er ist
wohl nicht sehr glücklich, das ist es. Da ist irgendetwas in seinem Leben ...
an sich selber ..., das er nicht mag.«
    »Er ist sehr still«, räumte
Miranda ein. »Aber ich dachte, das wäre normal bei ihm.«
    »Er war immer schon still«,
sagte Caroline. »Aber in letzter Zeit ist es schlimmer geworden. Manchmal
kriege ich kaum ein Wort aus ihm heraus. Wahrscheinlich redet er in der Arbeit
den ganzen Tag.« Sie änderte den Kurs und sagte: »Manchmal frage ich mich, was
ihn und Chris verbindet. Sie sind so verschieden, und trotzdem schon so lange
befreundet.«
    »Na ja, das allein zählt ja
auch schon unheimlich viel, oder? Eine gemeinsame Geschichte und so etwas.«
Miranda spürte, dass Caroline etwas bedrückte, irgendeine schwere Sorge. »Viele
Paare machen schwierige Phasen durch«, sagte sie. »Und Lucy scheint ihrem Vater
sehr nah zu sein.«
    »Findest du?« Caroline
schüttelte den Kopf. »Sie wären sich gerne nah. Aber sie wissen nicht, wie sie
es anstellen sollen. Er weiß nicht, wie er es anstellen soll.« Sie wollte ihr
Glas leertrinken, merkte, dass es schon leer war, und seufzte. »Was Lucy fehlt,
ist ein Bruder oder eine Schwester. Dein Joe muss sich doch im siebten Himmel
fühlen, mit einer kleinen und einer großen Schwester zum Spielen. Es ist so
toll, die drei zu beobachten. So muss eine Familie aussehen ...«
    »Dazu ist es doch nicht zu
spät, oder?«
    Caroline lächelte. »Ich

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