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Coe, Jonathan

Coe, Jonathan

Titel: Coe, Jonathan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die ungeheurliche Einsamkeit des Maxwell Sim
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Film,
in dem sie eine wunderbare Sexszene mit Jeff Goldblum hat. Und wie es eben so
geht, schien Emma mir der Name der Wahl zu sein.
    Biegen Sie links ab. Dann
fahren Sie in den Kreisverkehr, dritte Ausfahrt.
    Unserer Beziehung stand der
erste Härtetest bevor, denn ich hatte beschlossen, während der nächsten paar
Minuten nicht mehr ihren Instruktionen zu folgen. Sie wollte, dass ich auf der
A38 weiter bis zum Kreisverkehr in Lydiate Ash fuhr und dann die rechte
Abzweigung nach Rubery nahm. Aber meine Pläne waren andere. Ich wollte auf der
B 4120 direkt über die Lickey Hills fahren und auf der anderen Seite wieder auf
die A38 stoßen. Es war die schönere Strecke, und sie brachte mich durch die
Landschaft meiner frühen Kindheit. Aber wie würde Emma reagieren? Hätte sie
Verständnis für die nostalgischen Anwandlungen, die dahintersteckten?
    Meine Kühnheit machte mich
selber etwas nervös, aber ich ignorierte ihr ständiges »Biegen Sie links ab«, fuhr um den Kreisverkehr
herum und nahm statt der dritten die vierte Ausfahrt. Ich stellte mir vor, was
Caroline gesagt hätte, wenn ich auf einer unserer Ferienreisen ihre
Instruktionen so unverfroren in den Wind geschlagen hätte. »Nein, doch nicht
hier!« Dann hätte sie verärgert aufgestöhnt, ihre Stimme hätte sich verhärtet
und wäre in das schreckliche Register wütender Resignation über meine
Dickköpfigkeit und Dummheit gewechselt. »Gut. Wenn du meinst, du weißt es
besser als ich, fahr nur weiter. Dann muss ich hier auch nicht mehr
reingucken.« Und damit hätte sie den Straßenatlas in den Fond des Wagens
geschleudert, um Haaresbreite vorbei an Lucy, die in ihrem Kindersitz
gekauert, dem Streit mit großen erschrockenen Augen zugehört und sich ihr
kleines Köpfchen über der Frage zerbrochen hätte, ob alle Erwachsenen in diesem
Ton miteinander reden. Ja, so in etwa wäre das abgelaufen. Ich konnte mich an
zahllose solche Szenen erinnern.
    Mit Emma war das anders.
Zuerst sagte sie gar nichts. Das einzige Anzeichen dafür, dass sie meine
Entscheidung zur Kenntnis genommen hatte, war eine Meldung auf dem Display: »Route wird berechnet.« Nach ein paar Sekunden kehrte
dann ihre Stimme zurück. Keinerlei Veränderung im Ton. Nach wie vor ruhig, nach
wie vor beruhigend. Absolut ungerührt durch meinen kleinen Akt der Rebellion. Folgen sie dem Straßenverlauf
für circa drei Kilometer, sagte sie. Mehr nicht. Kein Streit, kein Sarkasmus,
keine Fragen. Sie akzeptierte meine Autorität und reagierte dementsprechend.
Gott - wie leicht hätte das Leben sein können, wenn Caroline öfter so reagiert
hätte! Ich begann bereits zu denken, dass ich in Emma so etwas wie die ideale
Partnerin gefunden hatte. Ich drückte auf die MAP-Taste, um es sie noch einmal
sagen zu hören.
    Folgen Sie dem Straßenverlauf für circa drei
Kilometer.
    Wunderbar. Besonders liebte
ich die winzige Pause nach dem Wort »circa«. Sie sprach den Satz wie die Zeile
eines Gedichts.
    Ich fuhr die Old Birmingham
Road hinauf. Zur Linken sah ich den Eingang der Grundschule, auf der Chris und
ich uns kennengelernt und uns gleich am ersten Tag miteinander angefreundet
hatten, im Alter von fünf Jahren. Seitdem waren wir unzertrennlich gewesen -
die dicksten Freunde für die nächsten sechs Jahre. Und als wir zehn waren,
hatten wir uns als einzige Schüler unseres Jahrgangs um die Zulassung zur King
William's School im Zentrum Birminghams beworben. Chris hatte die Prüfung
bestanden. Ich war durchgefallen und musste mit allen anderen Mitschülern
unserer Grundschule auf die Wasely-Hills-Gesamtschule gehen.
    »Und das dürfte er gewesen
sein«, sagte ich zu Emma. »Der Wendepunkt. Danach kam dann eins zum anderen.«
    Folgen Sie dem Straßenverlauf für circa einen
Kilometer.
    Natürlich sahen Chris und ich
uns auch danach noch. Aber der eigentliche Grund dafür schien mir die Tatsache
zu sein, dass unsere Väter inzwischen gute Freunde geworden waren, nachdem sie
sich bei verschiedenen Anlässen in der Schule kennengelernt hatten. Chris'
Vater war Dozent an der Universität Birmingham, und mein Vater, der sich
selbst als Intellektueller wie als Dichter sah, wollte diese Freundschaft
nicht einschlafen lassen, auch nicht nachdem Chris jetzt auf eine vornehmere
Schule ging und seine Familie aus Rubery fort in die grünere
Mittelschicht-Enklave Edgbaston gezogen war. Chris und ich setzten unsere
Freundschaft also fort, hauptsächlich aus gegenseitiger Zuneigung, aber wohl
auch, weil unser

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