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Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schutzengel
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sah Paulo. Er saß etwas abseits auf einer Bank. Sie setzte sich zu ihm.
    »Wie lange werden wir mit ihnen
reisen?«, fragte sie.
    »Bis Vahalla mich gelehrt hat, die Engel zu sehen.«
    »Aber wir sind doch schon einen
Monat mit ihnen unterwegs.«
    »Sie kann sich nicht weigern. Sie
hat den Schwur der Tradition abgelegt. Sie muss ihn erfüllen.«
    Die Menschenmenge wuchs ständig.
Chris stellte sich vor, wie schwierig es sein musste, zu all diesen Menschen zu
sprechen.
    »Sie werden die Walküren nicht
ernst nehmen«, meinte sie. »Nicht in diesem Aufzug und mit diesen Pferden.«
    »Sie kämpfen für uralte
Vorstellungen«, sagte Paulo. »Heute tarnen sich die Soldaten, verkleiden sich,
verstecken sich. Doch die Krieger von einst zogen mit bunter auffälliger
Kleidung in die Schlacht.
    Sie wollten, dass der Feind sie
sah. Sie waren stolz auf den Kampf.«
    »Warum machen sie das nur? Warum
predigen sie auf öffentlichen Plätzen, in Bars, mitten in der Wüste? Warum
helfen sie uns, mit den Engeln zu sprechen?«
    Paulo zündete sich eine Zigarette
an.
    »Da bist du wieder mit deinem
Spott«, sagte Paulo. »Du machst Witze über die >Konspiration<«, sagte er,
»aber letztlich hast du recht. Es gibt eine >Konspiration<.«
    Chris lachte. Nein, diese
Konspiration gab es nicht. Sie hatte dieses Wort nur benutzt, weil die Freunde ihres
Mannes sich wie Geheimagenten aufführten und ständig aufpassten, dass sie vor
anderen nicht über bestimmte Dinge sprachen - obwohl alle Stein und Bein
schworen, es gebe in der >Tradition< nichts Okkultes.
    Aber Paulo meinte es offenbar
ernst.
    »Die Pforten des Paradieses wurden
wieder aufgetan«, sagte er. »Gott hat den Engel mit dem Feuerschwert, der am
Tor stand, abberufen. Eine Zeitlang - niemand weiß genau, wie lange - kann
jeder hinein, sofern er begriffen hat, dass die Pforten geöffnet sind.«
    Während er mit Chris redete, fiel
Paulo wieder die alte verlassene Goldmine ein. Bis zu jenem Tag vor einer Woche
war er entschlossen gewesen, vor den Pforten des Paradieses zu bleiben.
    »Wie kommt man denn hinein?«,
fragte Chris.
    »Der Glaube. Und die >Tradition<«,
war seine Antwort.
    Sie gingen zu einem Eisverkäufer
und kauften ein Eis. Vahalla sprach noch immer, ihre
Rede schien kein Ende zu finden. Bald würden sie dieses merkwürdige
Theaterstück aufführen, bei dem sie die Zuschauer mit einbezogen - und erst
dann würde die Versammlung enden.
    »Wissen alle von den geöffneten
Pforten?«, fragte Chris.
    »Einige Menschen haben es
begriffen - und sagen es weiter. Aber es gibt da ein Problem.«
    Paulo deutete auf ein Denkmal in
der Mitte des Platzes.
    »Angenommen, dort drüben wäre das
Paradies. Und jeder Mensch befände sich an einer anderen Stelle dieses
Platzes.«
    »Dann hätte jeder einen anderen
Weg, um dorthin zu gelangen.«
    »Deshalb reden die Menschen mit
ihrem Engel. Weil nur er den besten Weg kennt. Es bringt nichts, andere
Menschen um Rat zu fragen.«
    »Folgt euren Träumen, und geht das
Risiko ein«, hörte Paulo Vahalla sagen.
    »Wie wird diese Welt dann wohl
aussehen?«
    »Sie wird nur denen gehören, die
in das Paradies eingetreten sind«, antwortete Paulo. »Die Welt der Konspiration,
wie du sagst. Die Welt der Menschen, die imstande sind, die Veränderungen in
der Gegenwart wahrzunehmen, der Menschen, die den Mut haben, ihren Traum zu
leben und ihren Engeln zuzuhören. Eine Welt aller, die an diese Welt glauben.«
    Ein Raunen ging durch die Menge.
Chris wusste, dass nun das Theaterstück begonnen hatte. Sie wäre gern hingegangen,
um zuzuschauen, aber was Paulo gerade sagte, war sehr viel wichtiger.
    » Jahrhundertelang haben wir an den Ufern von Babel geweint«, fuhr Paulo fort. »Wir haben unsere
Harfen aufgehängt, weil es uns verboten war zu singen, wir wurden verfolgt,
getötet, aber wir haben das gelobte Land nie vergessen. Die >Tradition<
hat alles überlebt.
    Wir haben gelernt zu kämpfen und
sind gestärkt aus dem Kampf hervorgegangen. Heute sprechen die Menschen wieder
über die spirituelle Welt, die bis vor ein paar Jahren nur etwas für
Schwachköpfe zu sein schien. Doch es gibt tatsächlich einen unsichtbaren
Faden, der jene verbindet, die sich auf der Seite des Lichts befinden - wie die
miteinander verknüpften Halstücher der Walküren. Und dieser unsichtbare Faden
bildet ein starkes, strahlendes Seil, das die Engel halten und das empfindsame
Menschen spüren und von dem wir uns leiten lassen können. Denn wir sind viele,
auf der ganzen Welt

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