Coelho,Paul
verteilt. Vom selben Glauben bewegt.«
»Diese Welt hat immer wieder neue
Namen«, sagte sie. »Neue Ära/New Age, Siebter Strahl und so weiter.«
»Aber es ist immer dieselbe Welt.
Das garantiere ich dir.«
Chris sah zu Vahalla hinüber, die in der Mitte des Platzes über Engel sprach.
»Und warum versucht sie dann, die
anderen zu überzeugen?«, fragte Chris.
»Nein, das tut sie nicht. Wir sind
aus dem Paradies gekommen, haben uns über die Erde verteilt und sind dabei,
wieder zurückzukehren. Vahalla bittet die Menschen
nur, den Preis für diese Rückkehr zu zahlen.«
Chris erinnerte sich an den
Nachmittag in der Mine.
»Manchmal ist der Preis sehr
hoch.«
»Das mag sein. Aber es gibt
Menschen, die bereit sind, ihn zu zahlen. Sie wissen, dass Vahallas Worte die Wahrheit sind, weil sie sie an etwas Vergessenes erinnern. Alle
tragen noch Erinnerungen an das Paradies und Bilder davon in sich. Und es
vergehen manchmal Jahre, ohne dass diese Erinnerung hochkommt - bis etwas
Einschneidendes geschieht: die Geburt eines Kindes, ein schlimmer Verlust, das
Gefühl drohender Gefahr, ein Sonnenuntergang, ein Buch, ein Musikstück, eine
Gruppe in Leder gekleideter Frauen, die von Gott sprechen. Irgendetwas.
Plötzlich erinnern sich die Menschen.«
>Das also macht Vahalla <, dachte Chris. >Sie erinnert daran, dass es
einen Ort gibt. Einige hören zu und andere nicht - die werden an der Pforte
vorbeigehen, ohne sie zu bemerken. Aber sie spricht doch von dieser neuen
Welt.<
»Aber sie spricht über diese neue
Welt.«
»Das sind aber nur Worte.
Tatsächlich nehmen die Walküren ihre Harfe vom Weidenbaum und spielen sie
wieder - und Millionen Menschen auf der ganzen Welt singen wieder von den
Freuden des Gelobten Landes. Niemand ist mehr allein.«
Sie hörten Hufgetrappel. Die
Darbietung war zu Ende. Paulo ging zum Wagen.
»Warum hast du mir das nie
gesagt?«, fragte Chris. »Weil du es schon wusstest.«
Ja, sie hatte es bereits gewusst.
Nur hatte sie sich nicht daran erinnert.
D ie
Walküren ritten in ihrer Ledermontur und mit ihren Halstüchern auf ihren
Pferden von Ort zu Ort. Und sie sprachen von Gott.
Paulo und Chris folgten ihnen.
Wenn die Walküren außerhalb eines Ortes kampierten, übernachteten die beiden
in einem Hotel. Wenn die Walküren mitten in der Wüste anhielten, schliefen
Paulo und Chris im Wagen. Sie zündeten ein Feuer an, und damit war die Wüste
nachts nicht mehr gefährlich - die Tiere hielten sich fern. Chris und Paulo betrachteten
zum Heulen der Koyoten die Sterne und konnten danach
ruhig einschlafen.
Seit dem Nachmittag in der Mine
hatte Paulo begonnen, das Channeling zu praktizieren.
Er hatte befürchtet, Chris könnte annehmen, er sei nicht in der Lage, das
anzuwenden, was er lehrte.
»Ich kenne J.«, sagte sie, als sie
auf das Thema zu sprechen kamen. »Du musst mir nichts beweisen.«
»Meine damalige Freundin kannte
auch meinen Lehrer«, entgegnete er.
Jeden Nachmittag setzten sie sich
nieder und arbeiteten daran, ihr >zweites Bewusstsein< zu zerstören. Sie
beteten zu ihren Engeln und baten sie um ihre Gegenwart.
»Ich glaube an diese neue Welt«,
sagte er nach einer weiteren Channeling-Übung zu
Chris.
»Ich weiß, dass du daran glaubst.
Sonst hättest du dein Leben anders gelebt.«
»Dennoch weiß ich nicht, ob ich
mich richtig verhalte.«
»Gehe großzügig mit dir selber
um«, entgegnete sie. »Du tust dein Bestes - nur wenige Menschen würden so weit
reisen, um ihren Engel zu finden. Vergiss nicht, dass du den Pakt gebrochen
hast!«
Der in der Mine gebrochene Pakt:
J. würde glücklich sein! Obwohl Paulo sich beinahe sicher war, dass J. bereits
alles gewusst und ihm deshalb zur Reise in die Wüste geraten hatte.
Wenn sie beide ihre Channeling-Übungen beendet hatten, redeten sie stundenlang
über Engel. Aber nur sie beide. - Vahalla hatte das
Thema nie wieder angeschnitten.
Nach einem dieser Gespräche suchte
Paulo Vahalla auf.
»Du kennst die >Tradition<«,
sagte er. »Man darf einen einmal begonnenen Prozess nicht unterbrechen.«
»Ich unterbreche ihn doch nicht«,
entgegnete sie.
»Aber ich muss bald wieder nach
Brasilien zurück. Und vorher muss ich doch noch eine Bitte um Vergebung annehmen.
Und eine Wette abschließen.«
»Ich unterbreche den Prozess
nicht«, sagte sie noch einmal.
Sie schlug ihm vor, einen langen
Spaziergang in der Wüste zu machen. Als sie einen bestimmten Punkt erreicht
hatten, setzten sie sich nebeneinander, sahen gemeinsam
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