Coelho,Paul
dem Sonnenuntergang zu
und sprachen über Rituale und Zeremonien. Vahalla fragte Paulo nach J.s Lehrmethoden, und Paulo wollte
von ihr etwas über die Ergebnisse der Predigten in der Wüste erfahren.
»Ich bereite den Weg«, sagte sie
beiläufig. »Ich erfülle meinen Teil und hoffe, ihn bis zum Ende zu erfüllen.
Dann werde ich wissen, wie der nächste Schritt aussehen wird.«
»Woher weißt du, wann der
Augenblick gekommen ist, damit aufzuhören?«
Vahalla wies zum
Horizont.
»Wir müssen die Wüste elf Mal
umrunden, elfmal durch dieselben Orte kommen, elfmal dasselbe wiederholen. Das
ist alles, was mir gesagt wurde.«
»Hat dein Meister dir das gesagt?«
»Nein. Der Erzengel Michael.«
»Und das wievielte Mal ist das
hier?«
»Das zehnte.«
Die Walküre lehnte ihren Kopf an
Paulos Schulter, und sie schwiegen lange. Er verspürte den Wunsch, ihr Haar zu
streicheln, ihren Kopf in seinen Schoß zu legen, so, wie sie es mit ihm in der
verlassenen Mine getan hatte. Sie war eine Kriegerin, aber sie brauchte
ebenfalls eine Ruhepause.
Er überlegte eine Weile, ließ es
dann sein. Und beide kehrten in das Camp zurück.
J e mehr
Tage vergingen, desto überzeugter war Paulo davon, dass Vahalla ihn alles lehrte, was er wissen musste - nur tat sie es wie Took ,
ohne ihm den Weg direkt zu zeigen. Er beobachtete daraufhin ganz genau, was
die Walküren taten - vielleicht konnte er so ja einen neuen Hinweis, eine
Lehre, eine neue Übung entdecken. Und als Vahalla ihn
wie jeden Tag zu sich rief, um mit ihm den Sonnenuntergang in der Wüste zu
betrachten, wagte er, sie darauf anzusprechen.
»Nichts verbietet dir, mich etwas
direkt zu lehren«, sagte er. »Du bist keine Meisterin. Du bist nicht wie Took oder J. oder wie ich, die wir beide Traditionen
kennen.«
»Doch, ich bin eine Meisterin. Ich
habe durch Offenbarungen gelernt. Es stimmt, dass ich weder Kurse gemacht noch
an covens [ * eine Versammlung von Menschen - Meistern und Schülern -
zu rituellen Zwecken (Anmerkung des Autors)] teilgenommen,
noch mich in irgendwelche Geheimgesellschaften eingeschrieben habe. Ich weiß
viele Dinge, die du nicht weißt, weil der Erzengel Michael sie mich gelehrt
hat.«
»Aus diesem Grunde bin ich hier.
Um zu lernen.«
Beide saßen im Sand an einen
Felsen gelehnt.
»Ich brauche Zärtlichkeit«, sagte
sie. »Ich brauche unbedingt Zärtlichkeit.«
Sie legte ihren Kopf in Paulos
Schoß. So saßen sie lange schweigend und schauten zum Horizont.
Paulo brach als Erster das
Schweigen. Er sagte es nicht gern, aber es musste sein.
»Du weißt, dass ich bald abreise.«
Er wartete auf eine Reaktion. Sie
sagte nichts.
»Ich muss lernen, den Engel zu
sehen. Mir kommt es so vor, als würdest du versuchen, es mich zu lehren, aber
ich begreife es nicht.«
»Das stimmt nicht, meine
Anweisungen sind klar wie die Wüstensonne.«
Paulo streichelte Vahallas rotes Haar.
»Du hast eine schöne Frau«, sagte Vahalla .
Paulo verstand die Anspielung und
zog seine Hand zurück.
In jener Nacht erzählte er Chris,
was Vahalla über sie gesagt hatte. Chris lächelte und
sagte nichts.
C hris und
Paulo reisten mit den Walküren weiter. Auch nach Vahallas Bemerkung über die Klarheit dessen, was sie lehrte, beobachtete Paulo weiterhin
genau, was die Walküren machten. Aber alles verlief immer gleich: reisen, auf
Plätzen sprechen, Rituale durchführen, die er bereits kannte, und weiterziehen.
Und lieben. Sie schliefen mit den
Männern, denen sie unterwegs begegneten. Meistens waren es einsame Reisende
auf schweren Motorrädern, die genügend Mut hatten, sich der Gruppe zu nähern.
Dabei gab es eine ungeschriebene Regel: Vahalla hatte
das Recht, als Erste auszuwählen. Interessierte sie sich nicht für den
Neuankömmling, durften die anderen Frauen sich ihm nähern.
Die Männer wussten das nicht. Sie
hatten das Gefühl, mit der Frau zusammen zu sein, die sie ausgewählt hatten -
obwohl die Wahl sehr viel früher getroffen worden war, und zwar von den
Frauen.
Die Walküren tranken Bier und
redeten über Gott. Sie führten heilige Rituale aus und schliefen zwischen den
Felsen mit den Männern. In größeren Orten hielten sie an einem öffentlichen
Platz, um das seltsame Theaterstück aufzuführen - das immer das Publikum mit
einbezog.
Am Ende baten sie die Zuschauer um
eine kleine Spende.
Vahalla selber
spielte nie mit - sie leitete die Aufführung, und anschließend machte sie mit
ihrem Tuch die Runde. Und ihr gab man immer
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