Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coelho,Paul

Coelho,Paul

Titel: Coelho,Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schutzengel
Vom Netzwerk:
umgeben.«
    Er überlegte kurz, ob er
weitermachen sollte oder nicht. Aber er hatte bereits von vier Gesetzen
gesprochen.
    »Das Gesetz der Strategie«, sagte
er schließlich. »Die Art, wie man den Kampf plant.«
    Das war alles. Die Augen der
jungen Frau funkelten.
    »Jetzt erzähl du mir von den
Engeln.«
    Die junge Frau blickte ihn wortlos
an. Auch wenn es ihr nichts mehr nützen würde, jetzt kannte sie die Formel. Sie
konnte in Frieden sterben. Sie hatte die Strafe verdient, die sie erwartete.
    »Erzähl mir von den Engeln«,
wiederholte der Krieger.
    »Nein, ich werde dir nichts von
den Engeln erzählen.«
    Der Blick des Kriegers veränderte
sich, und das freute die junge Frau. Sie hatte befürchtet, dass der Krieger ihr
Leben schonen könnte. Das hatte sie nicht verdient. Sie trug Schuld -
zigfache, hundertfache im Laufe ihres kurzen Lebens angehäufte Schuld. Sie
hatte ihre Eltern enttäuscht, die Männer enttäuscht, die sich ihr genähert
hatten. Sie hatte die Krieger enttäuscht, die an ihrer Seite gekämpft hatten.
Sie hatte sich gefangen nehmen lassen - sie war schwach. Sie verdiente die
Strafe.
    »Hass!«, hörten sie die ferne
Stimme einer Frau sagen. »Der Sinn des Rituals ist Hass!«
    »Wir haben einen Tauschhandel
geschlossen«, sagte der Krieger, und diesmal war seine Stimme schneidend wie
Stahl. »Ich habe meinen Teil erfüllt.«
    »Du wirst mich nicht lebend gehen
lassen«, sagte sie. »Wenigstens habe ich bekommen, was ich wollte, auch wenn es
mir nichts nützt.«
    »Hass!« Die ferne Frauenstimme tat
bereits ihre Wirkung. Er ließ zu, dass seine schlimmsten Gefühle hochkamen.
Der Hass wuchs im Herzen des Kriegers.
    »Du wirst leiden«, sagte er. »Die
schlimmsten Qualen, die jemals ein Mensch erlitten hat.«
    »Ich werde leiden.«
    >Ich verdiene es<, dachte
sie. Sie verdiente den Schmerz, die Strafe, den Tod. Schon als Kind hatte sie
sich geweigert zu kämpfen - sie glaubte, sie könnte es nicht, akzeptierte immer,
was die anderen wollten, erlitt stumm die Ungerechtigkeiten, deren Opfer sie
war. Sie wollte, dass alle begriffen, was für ein guter Mensch sie war, dass
sie ein empfindsames Herz besaß, andern helfen konnte. Sie wollte um jeden
Preis, dass die anderen sie liebten. Gott hatte ihr ein schönes Leben
geschenkt, und sie war außerstande, es zu nutzen.
    Stattdessen hatte sie um die Liebe
der anderen gebettelt, hatte ihr Leben so gelebt, wie die anderen es von ihr
erwarteten - nur um den anderen zu gefallen.
    Sie war Gott gegenüber ungerecht
gewesen, hatte ihr Leben weggeworfen. Jetzt brauchte sie einen Henker, der sie
schnell in die Hölle schickte.
    Der Krieger spürte, wie die
Reitgerte in seiner Hand zum Leben erwachte. Der Krieger starrte die Gefangene
an. Er wartete darauf, dass sie ihre Meinung änderte, um Vergebung bat.
    Stattdessen kauerte die Gefangene
da und erwartete den Hieb.
    Plötzlich war in ihm nur noch die
Wut darüber, von einer Gefangenen überlistet worden zu sein. Hass überkam ihn
in Wellen, und er entdeckte, dass er zu Grausamkeit fähig war. Er hatte immer
versagt, wenn er der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen sollte. Er hatte immer
verziehen - aber nicht, weil er ein guter Mensch war, sondern weil er feige
war, weil er nicht den Mut aufbrachte, etwas zu Ende zu bringen.
     
    Vahalla schaute
zu Chris. Chris schaute zu Vahalla . Das schwache
Mondlicht verhinderte, dass sie ihre Blicke genau erkennen konnten, und das war
gut so.
    Beide hatten Angst zu zeigen, was
sie in diesem Augenblick fühlten.
    »Um Gottes willen«, rief Vahalla , bevor der Hieb niedersauste.
    Der Krieger hielt, die Reitgerte
in der Luft, in der Bewegung inne.
    Doch der Feind war gekommen.
    »Es reicht«, sagte Vahalla . »Es ist genug.«
    Paulos Blick war glasig. Er packte Vahalla an den Schultern.
    »Ich fühle diesen Hass«, schrie
er. »Ich spiele das nicht! Ich habe Dämonen in mir freigelassen, von denen ich
nichts wusste.«
    Vahalla nahm ihm
die Reitgerte aus der Hand und schaute nach, ob Rötha verletzt war.
    Die junge Frau hatte das Gesicht
auf die Knie gelegt und weinte.
    »Alles war echt«, sagte sie,
während Vahalla sie umarmte. »Ich habe ihn
provoziert, ich habe ihn benutzt, damit er mich straft. Ich wollte, dass er
mich zerstört, mich tötet. Meine Eltern gaben immer mir an allem die Schuld und
meine Geschwister auch, ich habe im Leben alles verkehrt gemacht.«
    »Zieh dir eine neue Bluse an!«,
sagte Vahalla .
    Sie erhob sich und zupfte die
zerrissene Bluse zurecht.
    »Ist

Weitere Kostenlose Bücher