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Coetzee, J. M.

Coetzee, J. M.

Titel: Coetzee, J. M. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eiserne Zeit
Vom Netzwerk:
fünfzehnjährigen Sohn Bheki.
    »Wird er lange bleiben,
Florence?« fragte ich. »Ist noch Platz für ihn?«
    »Wenn er nicht bei mir ist,
kommt er in Schwierigkeiten«, erwiderte Florence. »Meine Schwester kann nicht
mehr auf ihn aufpassen. Es ist sehr schlimm in Guguletu, sehr schlimm.«
    Ich habe
also jetzt fünf Menschen hinten im Hof. Fünf Menschen, einen Hund und zwei
Katzen. Es war eine Alte, die wohnt’ in ‘nem Schuh. Und sie fragte: Was ist’s,
was ich tu?
    Als
Florence Anfang des Monats wegging, beruhigte ich sie, ich würde die Hausarbeit
schon schaffen. Aber natürlich ließ ich alles schluren, und bald hing oben ein
saurer, muffiger Geruch in der Luft, ein Geruch nach Hautcreme, schmutziger
Bettwäsche, Talkumpuder. Jetzt mußte ich mit beschämtem Gesicht hinter ihr
hergehen, als sie Bestandsaufnahme machte. Mit den Händen auf den Hüften,
geblähten Nasenflügeln, blitzender Brille, nahm sie meine offensichtliche
Unfähigkeit in Augenschein. Dann machte sie sich an die Arbeit. Gegen Ende des
Nachmittags glänzten Küche und Badezimmer, das Schlafzimmer war frisch und
schmuck, und es roch nach Möbelpolitur. »Wunderbar, Florence«, sagte ich und
holte die rituellen Phrasen hervor: »Ich weiß nicht, was aus mir werden würde
ohne dich.« Aber ich weiß es natürlich. Ich würde in den gleichgültigen Schmutz
des Alters sinken.
    Nachdem sie
meine Arbeit getan hatte, wandte Florence sich ihrer eigenen zu. Sie stellte
das Abendessen auf den Herd und brachte die zwei kleinen Mädchen nach oben ins
Badezimmer. Während ich zuschaute, wie sie sie wusch, fest hinter den Ohren
reibend, zwischen den Beinen, flink, entschieden und des Gewimmers nicht
achtend, dachte ich: Was für eine bewundernswerte Frau, aber wie froh bin ich,
daß sie nicht meine Mutter ist!
    Ich
überraschte den Jungen, wie er im Hof herumtrödelte. Früher kannte ich ihn als
Digby, jetzt ist er Bheki. Groß für sein Alter, gutaussehend und mit den
ernsten Zügen von Florence. »Kaum zu glauben, wie du gewachsen bist«, sagte
ich. Er erwiderte nichts. Nicht mehr der kleine Junge mit dem offenen Gesicht,
der, wenn er zu Besuch kam, als erstes zum Kaninchenstall lief, das fette weiße
Weibchen herausnahm und an seine Brust drückte. Zweifellos unzufrieden, weil er
von seinen Freunden getrennt und mit Babyschwestern bei irgendwem hinten im Hof
versteckt worden war.
    »Wann sind die Schulen
geschlossen worden?« fragte ich Florence.
    »Vorige
Woche. Alle Schulen in Guguletu, Langa, Nyanga. Die Kinder wissen nichts mit
sich anzufangen. Sie laufen bloß auf den Straßen herum und kriegen Ärger. Es
ist besser, daß er hier ist, wo ich ihn sehen kann.«
    »Er wird unruhig werden
ohne alle Freunde.«
    Sie zuckte
mit den Achseln, ohne zu lächeln. Ich glaube, ich habe sie noch nie lächeln
sehen. Aber vielleicht lächelt sie auf ihre Kinder hinab, wenn sie allein ist
mit ihnen.
     
     
    »Wer ist
dieser Mann?« fragte Florence.
    »Er heißt Vercueil«, sagte
ich. »Mr. Vercueil, Verkuil, Verskuil. So sagt er. Mir ist so ein Name noch nie
vorgekommen. Ich habe ihm für eine Weile Unterschlupf gewährt. Er hat einen
Hund. Sag den Kindern, sie sollen nicht so mit ihm toben, wenn sie mit ihm
spielen. Es ist ein junger Hund, womöglich schnappt er zu.«
    Florence schüttelte
mißbilligend den Kopf.
    »Wenn er
uns Ärger macht, werde ich ihn bitten zu gehen«, sagte ich. »Aber ich kann ihn
nicht wegen etwas wegschicken, was er nicht getan hat.«
    Ein kühler, windiger Tag.
Ich saß im Morgenmantel auf dem Balkon. Unten auf dem Rasen nahm Vercueil den
alten Mäher auseinander, und die kleinen Mädchen schauten ihm zu. Die ältere,
namens Hope, wie Florence sagt (den wirklichen Namen vertraut sie mir nicht
an), hockte ein paar Schritt entfernt, außerhalb seines Gesichtsfeldes, die Hände
zwischen den Knien gefaltet. Sie hatte neue rote Sandalen an. Das Baby, Beauty,
ebenfalls mit roten Sandalen, tapste auf dem Rasen herum, die Füße vorstoßend
und immer wieder mal plötzlich auf dem Hintern landend.
    Als ich so zuschaute, kam
die Kleine auf Vercueil zu, die Arme weit ausgebreitet, die Fäustchen geballt.
Bevor sie über den Rasenmäher purzeln konnte, fing er sie auf und führte sie an
dem molligen Ärmchen in eine sichere Entfernung. Wieder stürzte sie auf
unsicheren Beinen auf ihn zu. Und wieder fing er sie auf und führte sie weg. Es
war kurz davor, zu einem Spiel zu werden. Aber würde der finstere Vercueil
spielen?
    Noch einmal
stürmte

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