Coffee, Love & Sugar - Roman
und muss nicht Geld für Haarspangen, Glitzer-Make-up und CDs von Boygroups ausgeben. Entschuldigt, aber bei dem Gedanken kommt es mir hoch.
Ich versuche, die Tatsache, dass ich den Job im Java-Hutt-Café eigentlich nicht brauche, nicht zum Anlass zu nehmen, unhöflich zu den Kunden zu sein, die sich beschweren, ihr Kaffee sei nicht heiß genug, oder die sagen: »Ich hatte einen Cappuccino bestellt und Sie haben einen Latte gebracht.« Schnaub, wenn ich ganz sicher weiß, dass sie Latte gesagt haben. Ich versuche auch, nicht die Augen zu verdrehen, wenn Kunden davon ausgehen, dass sie besonders langsam mit mir reden müssen, weil ich ein Teenager bin und für einen Mindestlohn und ein mickriges Trinkgeld arbeite. »Miss, könnte ... ich ... bitte ... einen ... koffeinfreien ... Cappuccino ... mit ... extra ... viel ... Schaum ... haben? Haben Sie das verstanden? Ganz sicher? Wollen Sie es noch mal wiederholen?«
Wenn man schon einen Job haben muss, dann ist das Java-Hutt-Café eigentlich ziemlich perfekt. Vielleicht weil das Café weit draußen am nebligen, kalten Ocean Beach liegt und alle ziemlich entspannt sind. Die Leute sitzen auf alten Sitzsäcken und Sofas von der Heilsarmee, und in den Bücherregalen stehen uralte Bücher, die die Kunden tatsächlich lesen, und es liegt immer der Geruch von Salzwasser in der Luft, der sich mit dem Kaffeeduft mischt. Wallace hat sogar extra einen Ständer gebaut, an dem die Kunden ihre Surfboards abstellen können. Aber das Coolste ist die starke Brandung am Ocean Beach, was heißt, dass die Surfer besonders kräftig sein müssen, um hinauszuschwimmen. Was wiederum bedeutet, dass Cyd Charisse den ganzen Tag lang Kunden mit knackigen Körpern und prallen Brustmuskeln in Neoprenanzügen bewundern kann. O ja!
Ein paar Läden haben Schilder, auf denen steht: »Ohne Schuhe und mit nacktem Oberkörper kein Zutritt«. Wenn man in der Kälte vom Ocean Beach nicht friert, muss man im Java-Hutt-Café auch keine Schuhe oder T-Shirts tragen, dafür kann man seine dreiste Art an der Tür abgeben. Ich meine, das hier ist kein Laden, in dem die Angestellten dauernd fragen müssen: »Wollen Sie die extragroße Portion?«, und dann perlweiß grinsen.
Mit Delia, die Javas Freundin ist und tagsüber stellvertretende Geschäftsführerin, vergehen die Tage schnell. Sie ist Tänzerin und studiert an der San Francisco State. Wenn sie den Kaffee mahlt, steht sie auf den Zehenspitzen und beim Tischesäubern groovt sie zu einem Hip-Hop-Beat. Bei ihr dröhnt immer coole Musik durch den Laden. Sie wackelt gerne mit dem Hintern, wenn sie am Ende des Tages die Kassenbons zusammenrechnet, und singt: »Make my funk the P-Funk, I wants to get funked up«.
Delia wundert sich, dass ich keine Tänzerin sein will, wenn ich doch Cyd Charisse heiße. Ob ich überhaupt schon mal einen Film gesehen habe, in dem Cyd Charisse tanzt, fragte sie mich. Eigentlich nicht, sagte ich. Delia will, dass ich in ihren Modern-Dance-Kurs komme, den sie an einer Tanzschule in der Nähe gibt. Aber wenn ich mir das vorstelle, sehe ich mich mit Tiara und Tüll-Tutu in Schnürstiefeln auf Zehenspitzen stehen und die Stirn runzeln. Nein, danke.
Nancy hat sich etwas einfallen lassen, wie sie mir die Sache mit dem Ferienjob heimzahlen kann. Sie schickt unseren Chauffeur Fernando mit dem Mercedes mit den schwarz getönten Scheiben zum Ocean Beach, dass er mich nach der Arbeit abholt. Ich habe Fernando mein ganzes Gehalt als Bestechungsgeld angeboten, damit er mich nicht abholt, aber er wollte es nicht. »Anweisung is Anweisung«, sagte er und ich verstehe das. Ich kenne den Unterschied zwischen einem Latte und einem Cappuccino.
Fernando trinkt jeden Tag einen einfachen schwarzen Kaffee, während er wartet, bis ich mit Geschirrabwaschen und Küchefegen fertig bin. Dabei ist mir etwas über Fernando klargeworden. Er ist Sugars Seelenverwandter. Jeden Tag, wenn ich Fernando seinen schwarzen Kaffee gebe, stoppe ich seine Zucker-Einschütt-Zeit. Und die beträgt ungefähr ganze zehn Sekunden. Das ist viel Zucker für einen Kerl mit einer langen, roten Narbe im Gesicht, so einer Art Ledergesicht, bei dem man niemals fragen würde: »Kann ich dir heute Abend ein extravagantes Kaffeegetränk anbieten?« Ich meine, er ist wie schwarzer Kaffee und etwas dazu. Etwas Sugar.
Fernando ist nicht so alt, obwohl er schon Opa ist. Er ist Witwer. Ich würde ihn auf Anfang sechzig schätzen, was ein bisschen jung ist für Sugar, aber was soll’s. Ein
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