Coffee, Love & Sugar - Roman
ordentlicher Mann ist ein ordentlicher Mann, egal wie alt. Die lange rote Narbe in seinem Gesicht hat er vom Bürgerkrieg in Nicaragua. Das ist alles, was er mir darüber erzählen will. Fernando ist nicht gerade der gesprächige Typ, deshalb weiß ich nicht viel über ihn. Aber ich weiß ganz sicher, dass er nicht nach dem ABBA-Lied »Fernando« benannt wurde.
Ich mag Fernando und ich werde ihn auf jeden Fall mit Sugar verkuppeln. Doch – es tut mir leid, das zu sagen – ich werde ihn versetzen müssen, Anweisung hin oder her. Die Abenddämmerung nach der Arbeit ist Shrimps und Wallaces heilige Surfzeit, und Delia und ich würden gerne zum Sonnenuntergang mit dem Grillen anfangen, sodass wir alle zusammen essen können, wenn das Mondlicht auf uns fällt. Seht ihr, ich bin so was von bereit für das Leben in einer Kommune.
Im Gegenzug für den Job habe ich versprochen, eine Mustertochter zu sein, und die ersten paar Wochen im Java-Hutt war ich das auch. Ich habe mich von Fernando von der Arbeit abholen lassen und jeden Abend mit der Familie gegessen. Die Zeit der Ladendiebstähle ist vorbei, im letzten Schulhalbjahr habe ich ganz passable Noten bekommen und schon seit Ewigkeiten habe ich nirgendwo auf meinem Körper eine Rasierklingenverzierung geritzt.
Ich habe mein Zusammensein mit Shrimp darauf beschränkt, mit ihm in der Vorratskammer des Java-Hutt herumzuknutschen und während der Arbeitspausen schnell mal auf dem kalten, harten Sand am Strand rumzumachen. Jetzt reicht’s aber. Man kann nur eine bestimmte Zeit lang brav sein. In ein paar Tagen ist Sommersonnenwende, und Delia und ich wollen bei Wallace und Shrimp eine Party machen, und ich werde dort übernachten, egal ob Sid und Nancy davon was mitkriegen oder nicht. Ich werde so wild sein, wie ich will.
Kapitel 12
Shrimp ist auf jeden Fall mein Hauptgericht, aber darf ich kurz zugeben, dass ich manchmal nichts gegen eine Java-Beilage hätte? Shrimps Bruder ist scharf, scharf, scharf. Wallace ist etwas größer als Shrimp und füllt den Taucheranzug viel besser aus. Wallace hat einen absolut anbetungswürdigen Oberkörper und wunderschöne, lange, dunkelblonde Haare, die er hinten zu einem Zopf zusammenbindet, aber nicht auf so eine schwule Art wie das Muskelmodel Fabio. Außerdem hat er glühende, graue Augen, die aufflammen, wenn die Kassenbons im Java-Hutt-Café nicht stimmen oder wenn Lieferanten spät dran sind oder wenn er seit fünf Uhr morgens gearbeitet hat und am Ende des Tages surfen geht und alles voller Touristen ist, weil die Wellen sanft sind und die Sonne strahlt und kein dicker Nebel alles verhüllt.
Ich nehme an, ich werde wie in einer dieser griechischen Tragödien in der Hölle schmoren, weil ich den Bruder meines Freundes begehre, der zufälligerweise auch der Freund meiner neuen Freundin Delia aus Alaska ist. Aber ich nehme auch an, dass es sowieso schon eine lange Sündenliste gibt, für die ich in der Hölle schmoren werde, warum also nicht noch eine heimliche Schwärmerei für den Bruder meines Freundes hinzufügen?
Egal, es ist sowieso nicht so eine gefährliche Art von Schwärmerei, bei der ich total einen auf Lolita machen und Wallace zu einem schmutzigen kleinen Dreiecksverhältnis verführen würde. Verschont mich! Wallace ist nur so ein ästhetischer Traum, den ich malen würde, wenn ich eine Künstlerin wäre, und der mich verfolgen würde und den ich immer begehren würde, aber nie besitzen.
Es fällt schwer, nicht tief zu seufzen, wenn man diese Brüder von der Dachterrasse ihres Hauses durch das Fernglas betrachtet. Die Jungs haben was. Die Sonne fiel gerade über den Meereshorizont, als Shrimp und Wallace in ihren Neoprenanzügen und mit dem Surfboard unterm Arm über den Great Highway in Richtung Haus gingen. Sie hielten die Köpfe im selben Winkel gebeugt, der Wind fuhr ihnen durch die nassen Haare und sie sahen beinahe wie Surf-Punk-Zwillinge aus.
Neun Uhr abends am längsten Tag des Jahres und Delia und ich machten ein Sommersonnenwende-Barbecue auf der Dachterrasse von Shrimps und Wallaces Haus und sahen dabei die Sonne über dem Pazifik untergehen. Wir machten einen leckeren Veggie-Burger-Schmaus für unsere Männer, sobald sie aus der Brandung auftauchten.
Ich verzehrte mich fast vor Neugierde und hätte Delia am liebsten gefragt: Wie fühlt es sich an, wenn man Wallace berührt, sein Gewicht auf sich spürt? Zum Glück meldete mein Gehirn Vor-Vor-Vor-Vorsicht, bevor ich etwas sagen konnte, und stattdessen
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