Coins - Die Spur des Zorns
Esthers Telefon stand. Er sah den Apparat vor sich, hörte sein Läuten, als stünde er unmittelbar daneben. Und dann sah er Esther, in knapper Jeans und körperbetonendem Pulli, ihre grünen Augen, ihr zum Pferdeschwanz gebundenes Haar, ihr Lächeln. Hoffentlich war sie da! Doch in diesem Moment meldete sich der Anrufbeantworter. Scheiße! Einen Moment starrte er wütend auf das iPhone, als wäre dieses verantwortlich. Dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. So ein Anrufbeantworter konnte auch nützlich sein.
„Hallo Esther! Jan hier. Schade, dass ich dich nicht erreiche! Ich habe mich über deinen Anruf sehr gefreut. Sorry, dass ich nichts von mir hören ließ. … Weißt du, es war viel los hier in den letzten Tagen. Aber hab‘ keine Sorge, ich bin okay. … Du, ich melde mich später noch ‘mal. Tschüss!“
Er hatte die Verbindung noch nicht beendet, dachte einen Moment nach, den Blick in weiter Ferne, ohne wahrzunehmen, worauf er gerichtet war. Dann brach es aus ihm heraus:
„Du fehlst mir auch, Esther! Wirklich!“
Mein Gott! Was sagte er da! Meinte er das wirklich ernst? Beinahe erschrocken beendete er das Gespräch, doch mit einem Male sah er entspannt aus. Alle Last schien von ihm gefallen, die ihn eben noch quälte. Er war sich bewusst geworden, dass es keine Floskel war. Tatsächlich – er sehnte sich in diesem Moment nach Esther, dem Gasthof in der westvirginischen Pampa, dem See, den Wäldern. Dort könnte er endlich seine Ruhe, ja, endgültig Abstand von diesem Verbrechen und seinen Folgen finden.
Wieder klingelte das Telefon in der Diele. Nun war er bereit, das Gespräch entgegen zu nehmen. Egal, was es brächte, er würde ihm gewachsen sein. Er huschte in die Diele, hob den Hörer ab. „Pohl.“
„Mann, Professor! Erwische ich Sie endlich!“ Natürlich Schöller!
„Sorry, Hauptkommissar. Ich war im Garten, eben unter der Dusche. Ich hab‘ Ihren Anruf nicht mitbekommen. Ehrlich gesagt, auch nicht erwartet. Was gibt’s denn?“
„Das sag ich Ihnen später. Sind Sie zu Hause?“
„Wenn Sie es wünschen.“
„Ich bitte darum. Es ist wichtig. In zwanzig Minuten bin ich bei Ihnen. Machen Sie schon mal ‘nen Kaffee!“
„Wird gemacht.“
„Dann bis gleich.“ Schöller hatte aufgelegt.
Pohl hielt nachdenklich den Hörer in der Hand. Wenn Schöller zu ihm kam, dann wollte er in der Regel zweierlei: Rotwein und Dinge in seinem Haus überprüfen. Das letzte Mal war es die Pistole, davor die Münzrollen. Doch diesmal wollte er Kaffee. Vermutlich hatte er danach noch etwas vor, sicherlich etwas Dienstliches. Schöller würde doch um diese Stunde nicht freiwillig Kaffee trinken! Er legte den Hörer auf. Sein Blick fiel auf die Plastiktüte. Die Stiefel! Er musste sich rasch anziehen, die Stiefel gereinigt haben, bevor Schöller eintraf!
Es klingelte. ‚Das wird Schöller sein.‘ Pohl durchquerte die Diele, öffnete die Haustür. Schöller grinste ihn an. „So schnell sieht man sich wieder. Darf man eintreten?“
„Bitte!“ Pohl trat zur Seite. „Den Weg wissen Sie ja. Der Kaffee steht auf dem Küchentisch.“
„Super! Ich wusste, auf Sie kann man bauen.“
Schöller schlängelte sich an ihm vorbei, nahm, als sei er zu Hause, den Weg in die Küche. Wie immer ließ er seinen Blick durch die Räumlichkeiten schweifen. Pohl registrierte es, ohne beunruhigt zu sein. Er war es inzwischen gewohnt.
„Milch? Zucker?“ Pohl wusste um die Überflüssigkeit seiner Fragen, Schöller trank den Kaffee prinzipiell schwarz, dies prinzipiell aus dem Becher. Es war mehr eine Floskel, um das Gespräch auf unverfängliche Weise einzuleiten.
„Danke. Ich trinke schwarz, wie immer.“
Er hielt Pohl den Becher entgegen. Der schenkte ein, setze sich an die gegenüberliegende Seite des Tisches. „Was ist passiert, Hauptkommissar?“
„‘Ne Menge, Professor. … Mann, ist der heiß!“ Schöller setzte den Becher ab, wischte sich die Lippen. „Ihnen gehen in Kreuzers Eck allmählich die Gesprächspartner aus! Es hat schon wieder zwei erwischt: Sascha Heidkamp und Victor Kornejew, beides üble Vögel. Sie kennen die beiden?“
„Natürlich. Heidkamp ist der zweite Mann hinter Boris Kustow und Victor Kornejew ist dieser Russe, der sich illegal in Deutschland aufhält. Ich wundere mich schon seit langem, dass das möglich ist. Der muss schon Jahre hier sein. Woher kann der sonst so gut Deutsch?“
Schöller zuckte die Achseln. „Das ist Sache der Ausländerbehörde,
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