Coins - Die Spur des Zorns
haben wir schwere See.“
Fortman starrte Hellenkämper mit offenem Mund an. Ihn schien das Szenario zu überfordern. Endlich fand er die Sprache wieder: „Wieso müssen Sie Märchen erzählen? Wir fangen Verbrecher! Die übelsten Schweinehunde der Welt! Warum diese bescheuerte – wie sagten Sie? – Konspiration? Ich versteh‘ das nicht.“ Sein Blick sprang ratlos zwischen Hellenkämper und Schöller hin und her.
„Dein Part, Harald.“ Hellenkämper hatte fortan wieder ausschließlich das Meer im Visier. Die Beeinträchtigung der Polizeiarbeit aufgrund der Zuständigkeitsproblematik föderativer Strukturen war nicht sein Thema.
Schöller räusperte sich umständlich. Offensichtlich suchte er nach einer einleuchtenden, zugleich möglichst kurzen Erklärung. „Das ist eine lange Geschichte, Mister Fortman. Hängt einerseits mit der deutschen Gesetzgebung zusammen, andererseits der Problematik, dass die Fahndung nach den Drahtziehern wiederholt von übergeordneter Stelle behindert wurde. Reicht Ihnen das als Erklärung?“
„Muss ja wohl. Das Problem der Behinderung kennen wir in den Staaten ebenfalls. Die pädophilen Zirkel sind bis in höchste Entscheidungsebenen vernetzt. Insofern verwundert mich dieser Teil Ihrer Erklärung nicht. Und an den gesetzlichen Rahmenbedingungen werden wir wohl nichts ändern können. Machen wir also weiter! Ich stelle nochmals die Frage: Wären Sie bereit, mit mir an Bord der Baltic Vis zu gehen? Vielleicht können wir auch den Professor überreden …“
„Auf gar keinen Fall! Den Professor, meine ich. Die Mädchen haben vor einem Monat ihre Mutter verloren. Sie sollen nicht auch noch ihren Vater verlieren! Ich mach‘ mit, das muss reichen. Ich geb‘ Ihnen recht, wir haben die Überraschung auf unserer Seite. Es könnte klappen. Aber zunächst muss mein Vetter Verbindung zu Kapitänleutnant Steiner aufnehmen. Das ist der Marine-Offizier, den Sie im Sassnitzer Hafen beobachtet haben. Ihnen scheint ja nichts entgangen zu sein …“
‚Ihr Vetter?“ Fortman sah Schöller verwirrt an.
„Ja, mein Vetter.“ Schöller nickte hinüber zu Hellenkämper. „Der Seemann dort am Ruder! Das ist mein Vetter …“
„Sorry, das wusste ich nicht.“
„Schon gut. Wer soll’s Ihnen auch gesagt haben? Bestand bisher ja wohl kaum eine Gelegenheit.“ Schöller wandte sich an Hellenkämper. „Könntest du …“ Er brach ab, als er sah, dass Hellenkämper das iPhone bereits ans Ohr hielt. „Haben wir hier überhaupt ein Netz?“
Hellenkämper nickte. „Na klar! Wir sind in Küstennähe. … Hallo Wolf! … Es ging nicht früher! Wir wurden … keine Sorge! Wir sind alle okay … ja, auch die Mädchen … die Aktion lief zwischenzeitlich aus dem Ruder, aber jetzt ist alles wieder unter Kontrolle … erklär ich dir später … Wie bitte? Sag das noch ‘mal!“ Er wandte sich zu Schöller und Fortman um, schnitt eine Grimasse, die sich nur schwer interpretieren ließ. Sie starrten ihn an, hofften auf eine Erklärung. Hellenkämper hörte dem Kapitänleutnant konzentriert zu, rollte theatralisch mit den Augen, bevor er sich umwandte, wieder hinaus in die Finsternis starrte, angesichts einer anrollenden schweren See mit der freien Hand das Ruder herumwirbelte. Irgendetwas musste vorgefallen sein. Fortman und Schöller warteten gespannt auf Hellenkämpers Wortbeitrag, hofften darauf, diesem den Anlass zu dessen alarmierendem Mienenspiel entnehmen zu können. Doch Hellenkämper schien außer einem gelegentlichen ‚Ich glaub’s nicht!‘ die Sprache verloren zu haben. Endlich drehte er sich zu ihnen um. „Moment! Ich sag’s den anderen …“ Er wies mit dem Handy auf den Maschinisten. „Dieses Mistvieh wollte uns auf See entsorgen! Sie haben seine Gespräche abgehört und entschlüsselt. Aber viel wichtiger: Ihr werdet auf der Baltic Vis fündig! Ihr seid ganz nah dran!“
„Hab‘ ich das richtig mitbekommen: Die Henrietta ist wieder unter unserer Kontrolle?“ Heintges schien das Gehörte nicht recht glauben zu wollen.
Steiner steckte das Handy in die Brusttasche, nickte. „So ist es. Sie haben den Maschinisten überwältigt. Er war es, der sie mit der Geiselnahme der Zwillinge überrumpelt hatte. Der Kapitän, die beiden Matrosen und der Maschinist sind in ihrer Gewalt, die Mädchen befreit. Aber die rätselhafte Frau ist tot. Erstochen. Sie vermuten, der Maschinist war’s. Hauptsache, die Mädels und unsere Jungs sind wohlauf. Das ist eine verdammt gute
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