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Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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gezerrt hatte. Plötzlich kam Bewegung in Fortman. Die Dinge dort auf dem Flur hatten es ihm angetan. Ihn motivierte die Hoffnung, eher schon die Vermutung, dass zumindest der zu Boden gefallene Gegenstand von großer Bedeutung sein könnte. Warum sonst hätte ihn der Inder bei seinem Fluchtversuch mitnehmen wollen? Im Nu hatte er die Duschkabine verlassen und die offenstehende Tür erreicht. Ein erwartungsvoller Blick nach rechts den Gang entlang – Volltreffer! Seine Erwartung hatte ihn nicht getäuscht!
    Auf dem Gang lag, keine drei Meter entfernt, titansilbrig schimmernd der Laptop des Inders! Bevor Fortman sich um diesen kümmerte, hob er die lädierte Jacke auf. Ein Ärmel war nach außen gestülpt, der andere vollständig abgerissen. Ob der Inder ihn noch trug? Fortman grinste bei diesem Gedanken. Er tastete das demolierte Textil nach Gegenständen ab, spürte den hochschnellenden Puls, als er die Umrisse eines Handys fühlte. Mit fliegenden Fingern fummelte er es aus der Tasche. Es war ein iPhone – er hatte das iPhone des Inders!
    Fortman, der eben noch mit dem Schicksal haderte, fühlte sich mit einem Male als Mann des Tages. Er trat in den Gang, hob den Laptop auf, inspizierte ihn neugierig. Bis auf eine kaum erkennbare Druckstelle an einer der Ecken schien das Gerät unbeschädigt. Ein entspanntes Lächeln huschte über sein Gesicht. Er war zuversichtlich, Laptop und iPhone des Inders enthielten den Schlüssel ins Zentrum des Pädophilennetzwerks. Endlich besaßen sie die Instrumente, in Indien der perversen Spinne Tekla die Hölle heiß zu machen! Er musste hoch zur Brücke! Schöller würde Augen machen!
     
    Der Morgen dämmerte hinter dem östlichen Horizont, zeichnete erste Konturen in die Finsternis, um bald schon die sichtbare Welt in diffus-herbstliches Grau zu tauchen. Pohl bemerkte mit Erstaunen, wie rasch auf offener See das Morgengrauen die Nacht verdrängte. Oder lag es daran, dass sie zur Tatenlosigkeit verurteilt waren, das Zeitgefühl der Eintönigkeit des Dahinwartens zum Opfer fiel, solange Schöller und Fortman sich an Bord der Baltic Vis aufhielten? Pohl sah kurz zu Hellenkämper hinüber, der unverwandt die Küste und die an Steuerbord wenige Meter querab dümpelnde Baltic Vis im Blick hielt. Aufgrund der unterschiedlichen Trägheit der Schiffe hatten sie auf eine Vertäuung verzichtet. Obwohl sie bei niedriger Drehzahl mit dem Bug zum Wind standen, musste Hellenkämper auf gleichbleibenden Abstand zur Baltic Vis achten, aufgrund der küstennahen Strömungsverhältnisse und der noch immer hektischen See ein alle Aufmerksamkeit forderndes Manöver. Die Manövrierbarkeit der Henrietta war aufgrund ihrer Nähe zur Baltic Vis extrem eingeschränkt; wurde es eng, dies wurde es immer wieder, mussten die ausgebrachten Fender es richten. „Es wird bald hell. Macht das Ihnen die Sache leichter?“
    Hellenkämper schaute einen Moment über die Schulter. „Na klar. Ich kann an Land einen Bezugspunkt wählen, auf den ich die Yacht ausrichte. Sie reagiert träge, wir haben nur geringen Druck auf dem Ruder. Da hilft es schon, wenn man frühzeitig reagieren kann.“
    „Ich muss mal pinkeln.“
    Die ersten Worte des Maschinisten! Er hatte nicht gesprochen, seitdem ihm Fortman das Handy abgenommen hatte. Der fordernde Tonfall gefiel Pohl ganz und gar nicht. Niemals würde er vergessen, was dieses seelenlose Monster seinen Mädchen angetan hatte. „Schiff‘ dir in die Hose!“
    „Mann! Warum tust du …“
    „Professor! Sehen Sie!“ Hellenkämpers Ruf, fast schon Schrei, hatte den Maschinisten erschrocken einhalten lassen. „Dort! Der Kerl unterhalb der Brücke!“
    Pohl fuhr herum, erkannte den dunkelhaarigen Mann, der das Oberdeck der Baltic Vis entlanghetzte, sich immer wieder über die Reling beugte, zur Henrietta hinunterstarrte. Kein Zweifel, der Mann wollte zu ihnen auf die Henrietta! Einzig die zwischen den Schiffsrümpfen kochende See hielt ihn von dem wagemutigen Sprung ab. Wovor floh er?
    Es war inzwischen hell genug, auf die kurze Entfernung Einzelheiten erkennen zu können. Die bläulich-schwarze Haarfarbe, der bronzefarbene Teint, die scharfgeschnittenen Gesichtszüge sprachen eine eindeutige Sprache: Der Mann dort drüben war der Inder! Der Informant, der wichtige Zeuge, den Fortman und Schöller an Bord der Baltic Vis zu fassen bekommen wollten! Vermutlich floh er vor den beiden, hatte auf dem Flydeck den Maschinisten erkannt, glaubte nun, sich an Bord der Henrietta in

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