Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
Vom Netzwerk:
Sicherheit bringen zu können. Wieder beugte der Mann sich über die Reling, starrte gehetzt in das schäumende Chaos zwischen den Bordwänden, schätzte, so schien es, die Entfernung zur Henrietta. Hoffte er darauf, dass sich die Schiffe wieder einander näherten? Würde er tatsächlich springen?
    Pohl begann, leise zu fluchen. Er hatte sich von dem Inder ablenken lassen! Es war die eigene Naivität, die seinen Zorn auslöste: Er durfte den Maschinisten nicht aus den Augen lassen! Wozu dieser Mistkerl fähig war, hatte er hinreichend unter Beweis gestellt! Ihre Blicke trafen sich, der eine zornig, der andere verschlagen. Pohl erschauderte. Der Maschinist hatte, er sah es zum ersten Mal, eisgraue, leblose Augen! Kalt, unbarmherzig, die Augen eines Killers, durch und durch hinterhältig, skrupellos. Pohl verspürte Abscheu, dann aufkommenden Hass, zugleich Furcht. Der lauernde Blick des Maschinisten reduzierte sich auf eine einzige Botschaft: Böte sich ihm eine Chance, er würde sie nutzen, koste es, was es wolle! Gut, dass die Kinder unter Deck waren. Jetzt begann dieser Widerling auch noch zu grinsen! Pohl streckte ihm Fortmans 45er entgegen, zielte ostentativ auf die Hosenpartie, hinter der der Amerikaner dem Scheusal die schmerzhafteste Erfahrung seines Lebens angedroht hatte. Schlagartig erstarb das Grinsen.
    „Nein! Nicht!“
    Hellenkämpers Schrei ging durch Mark und Bein. Pohl fuhr herum, sah, wie der Ex-Offizier hektisch das Ruder herumwirbelte, den Maschinentelegraphen auf Rückwärtsfahrt riss und die Drehzahl der Schiffsmotoren erhöhte. Schmatzend verhinderten die Fender das Anstoßen des Hecks, ganz langsam nahm die Henrietta Fahrt auf, schob sich rückwärts fahrend an der Bordwand der Baltic Vis entlang. Hellenkämper blickte über die Schulter hinweg auf den enger werdenden Abstand zwischen beiden Schiffen. Pohl erkannte das Entsetzen in Hellenkämpers Blick, als dieser aufgeregt in das gurgelnde Wasser zwischen den Bordwänden wies. „Er ist gesprungen!“   
    Pohls Blick jagte hinüber zur Baltic Vis. Tatsächlich – der Inder war verschwunden! Er beugte sich über die Reling, sah hinunter in den enger werdenden Spalt tobenden Wassers. Von dem Inder keine Spur. Der Bug der Henrietta näherte sich bedrohlich der Baltic Vis. Dort unten in diesem schäumenden Tohuwabohu befand sich irgendwo ein Mensch! Die Henrietta würde ihn zerquetschen! Erkannte Hellenkämper das nicht? Warum tat der nichts? „Das Bugstrahlruder! Nehmen Sie das Bugstrahlruder!“ Pohl hatte von Seefahrt keinen blassen Schimmer, aber das drängte sich doch förmlich auf!
    „Geht nicht! Es treibt ihn unter die Baltic Vis !“ Hellenkämper riss den Rettungsring aus der Halterung, wies auf die Reling. „Nehmen Sie den Schiffshaken! Sobald er auftaucht, ziehen Sie ihn über Wasser! So nah am Kopf, wie möglich!“ Er stoppte die Maschinen, blickte angespannt in die Tiefe, den Rettungsring wurfbereit. Wo war der Inder? Verdammt, der Abstand zwischen den Schiffen verringerte sich noch immer! Die Henrietta wog mehr als hundert Tonnen, sie würde ihn zermalmen. Wo, zum Teufel, war der Wahnsinnige? Wie konnte er nur diesen Sprung wagen!
    Sie entdeckten ihn gleichzeitig. Aus den wild tanzenden Strudeln tauchte, von züngelnden Fluten immer wieder überdeckt, ein Oberkörper auf. „Rasch! Den Haken!“
    Hellenkämper warf den Rettungsring ins schäumende Chaos. Pohl stocherte mit dem Schiffshaken in den Fluten herum, wo eben noch der Körper des Inders erkennbar war. Endlich – er stieß auf einen Widerstand! „Ich hab‘ ihn!“ Nur mit Mühe ließ sich der Schiffshaken in Position halten, er hatte nur eine Hand! Die kochende See schien Pohl verdeutlichen zu wollen, wer hier der Stärkere war. Er schloss vor Anstrengung die Augen, zog – Zentimeter für Zentimeter – die Stange in die Höhe, spürte das zunehmende Gewicht.
    „Höher! Ich seh‘ ihn!“ Hellenkämper schrie es heraus. Der Abstand! „Schneller!“
    Die Fender am Schiffsheck ächzten unter der Last des andrückenden Schiffkörpers. Pohl erschrak von dem Geräusch, riss die Augen auf. Unaufhaltsam näherten sich die beiden Schiffe. Er erkannte es mit Grausen. Panik! Warum griff Hellenkämper nicht ein? „Sie müssen was tun!“ In Pohls Appell klang Verzweiflung. Ein kurzer Blick hinüber zum Maschinisten. Der saß, die Augen aufgerissen, wie erstarrt an seinem Platz. Das Geschehen hatte ihn vollständig in seinen Bann gezogen. Pohl presste die Lippen zusammen,

Weitere Kostenlose Bücher