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Coins - Die Spur des Zorns

Coins - Die Spur des Zorns

Titel: Coins - Die Spur des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz Justus
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sprachlos werden ließ. „Esther, ich … Esther?“
    Sie hatte aufgelegt.
     
    Eine Weile saß Pohl wie betäubt. Endlich erhob er sich schwerfällig. Scheiß Wein! Er musste noch fahren! Er blickte nachdenklich zur Treppe hinüber. Was in gut einer Stunde bei Kreuzer auf ihn zukäme, war schwer einschätzbar. Ihm war klar, diesmal müsste er aufs Ganze gehen. Kustow war ein eiskalter Hund, der vor nichts zurückschreckte! Pohl wusste, er hatte nur diese eine Gelegenheit. Würde er sie nicht nutzen, wäre alles vergebens gewesen, das Leben der Mädchen, aber auch sein eigenes in höchster Gefahr. Er überlegte kurz, dann beschloss er, das Nötige zu tun. Immerhin hatte er Esther versprochen, vorsichtig zu sein. 
    „Das ist er.“ Kreuzer deutete mit dem Kopf zum Eingang, als Pohl die Kneipe betrat. Kustow musterte den Fremden. Anfang vierzig mochte er sein, verhältnismäßig groß, so um die eins-fünfundachtzig, breitschultrig, helle, auffällig wache Augen, speckiges blondes, bis zu den Schultern reichendes Haar, buschige Brauen, dunkler Vollbart, kariertes Hemd, gammeliger Parka – genau so hatte ihn Anna beschrieben. Kustow konstatierte sachkundig: Dem Typen war anzusehen, dass er keiner vornehmen Villengegend entstammte. Zehn Jahre Knast würde er schätzen, vielleicht mehr. Er nickte Kreuzer kurz zu. Er hatte verstanden.
    Kustow erhob sich, trabte die Treppe zum Kellergeschoss hinunter. Pohl sah ihm interessiert hinterher. Er hatte Kustow auf Anhieb erkannt, hatte er sich doch auf dem Foto dessen Gesicht am meisten von allen eingeprägt; wie eine Skulptur war es in sein Gedächtnis gemeißelt. Was führte der Kerl im Schilde? Sein Blick huschte durch die Kneipe. Sie waren allein. Eine Stunde noch, dann würde sie sich füllen. Bis dahin musste alles geschehen sein. Pohl nahm entgegen der Gewohnheit einen Hocker in der Nähe zur Eingangstür, weit entfernt vom Stammplatz der Bande. Gleich würde sich zeigen, ob man Kustow auf ihn vorbereitet hatte. Er nickte Kreuzer zu. „Mach‘ mir‘n Pils.“
    Kreuzer stieß sich von der Wand ab, nahm ein Glas und begann zu zapfen. Pohl musterte ihn misstrauisch, doch Kreuzer wich dem Blick aus. Etwas stimmte nicht! Wieso hatte Kreuzer mit dem Zapfen gewartet? Der fing doch sonst unaufgefordert damit an, sobald er die Kneipe betrat! Unverbindlich lächelte er Kreuzer an, als dieser ihm mit betont gelangweilter Miene das Bier über den Tresen zuschob.
    Kustow kam die Treppe hoch, sah kurz zu Pohl hinüber, dann wandte er sich an Kreuzer. „Stell mein Bier zu dem Typen dort!“ Mehr sagte er nicht. Den Blick unentwegt auf Pohl gerichtet umrundete er den Tresen, zog den benachbarten Schemel zu sich heran. Er musterte Pohl, ohne einen Ton zu sagen. Sein Blick war reine Provokation, mehr oder weniger die unverblümte Ankündigung schmerzhafter Prügel, sollte der Fremde, der ungebetene Eindringling in sein Imperium, auch nur den geringsten Fehler begehen. Das Dumme war, dass grundsätzlich alles ein Fehler wäre, egal, was der Eindringling auch täte. Pohl war die Körpersprache des Russen nicht verborgen geblieben. Gewiss, sie war bedrohlich, aber im Grunde kam sie ihm entgegen. Davon wusste allerdings der Russe nichts – beste Voraussetzungen für das bevorstehende Pokerspiel!
    Kreuzer holte Kustows Bier, dann zog er sich in seine Ecke zurück. Die Atmosphäre in der Kaschemme knisterte jenseits der 100.000 Volt-Marke, die Nähe zu seinem Baseballschläger schien angesagt. Pohl war Kreuzers Manöver nicht entgangen. Er ahnte, was nun auf ihn zukäme. Einen Moment verspürte er aufwallende Unruhe, hatte sich jedoch sofort im Griff. Er wusste nur zu gut, dass er sich keinen Fehler erlauben konnte. Innerhalb der nächsten Minuten würde sich entscheiden, ob er den bisher beschrittenen Weg gnadenloser Vergeltung bis zum bitteren Ende verfolgen könnte. Allein das zu erreichen war das Ziel! Nach einem flüchtigen Blick auf seinen Nachbarn, gefolgt von kaum erkennbarem, eher Missachtung denn Gruß ausdrückendem Nicken hob Pohl das Glas. Er wollte gerade trinken, als sich eine Hand kraftvoll auf seinen Arm legte. Das Spiel war eröffnet – der Russe tat den ersten Zug!
    „Eh! Willst du nicht warten, bis ich das Glas hebe?“ Er wandte sich an Kreuzer. „Gib mir’n Neues! Die Plempe hier ist abgestanden.“
    Kreuzer verließ seine Ecke, machte sich ans Zapfen. Pohl sah Kustow irritiert an. „Ich soll warten? Ist das hier üblich?“
    „Du sagst es. Das hier ist meine

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