Coins - Die Spur des Zorns
Aufmerksamkeit zu schenken. Der Poker war mit einem gelungenen Bluff eröffnet, nun kam es auf die Qualität der Karten an.
Doch auch Kustow war gewarnt. Anna hatte Recht, als er sagte, der Fremde sei mit Vorsicht zu genießen. Er lächelte frostig. Klar war das sein Wohnzimmer! Gut, dass das auch der Fremde so sah. War der etwa um Entspannung bemüht? Kustow hob sein Glas. „Na, dann Prost! Ich heiße Boris. Hast du auch einen Namen?“
Pohl wandte sich aufreizend langsam dem Russen zu. „Klar hab‘ ich einen.“ Er drehte sich zurück zum Tresen, trank einen kräftigen Schluck. Der Russe schien Luft für ihn.
Kustow hatte die Botschaft verstanden. Der Fremde war eine härtere Nuss, als er dies erwartet hatte. Doch irgendwie musste er in Erfahrung bringen, was der Typ im Schilde führte. Niemand lief mit einer 9mm-Zimmerflak herum, der nicht die Absicht hatte, sie irgendwann zu benutzen! Doch wer stand auf der Abschussliste des Fremden? Wollte der Kerl sich etwa in seinem Revier breitmachen? „Darf ich dich was fragen?“
Wieder drehte sich Pohl gemächlich auf dem Barschemel, musterte den Russen geringschätzig, bis diesem winzige Schweißtröpfchen auf die Stirn traten. „Versuch’s doch!“
Kustow schluckte, war nun erkennbar verunsichert. Wie sollte er diesen undurchsichtigen Typen einschätzen? Wie würde der reagieren, wenn er die Grenzlinie überschritt? Und wo, zum Teufel, lag diese Grenzlinie? Schließlich gab er sich einen Ruck. „Die Wumme da unter deiner Jacke, die trägst du doch nicht zufällig mit dir herum ...“
„Was interessiert dich das?“
„Ich meine nur. Vielleicht kann ich dir helfen.“
„Du? Mir helfen?“ Pohl starrte ihn entgeistert an, schien amüsiert, als dem Russen das Bier übers Kinn rann. Der Spott in Pohls Bemerkung hatte ihn derart aus der Fassung gebracht, dass er das Glas allzu hektisch zum Mund geführt hatte. Pohl war dies nicht entgangen; er war sich gewiss: Er hatte den Russen dort, wo er ihn haben wollte. Der nächste Stich war fällig! Er griff in die Jackentasche, zog eine zusammengefaltete Zeitungsseite hervor. Er öffnete sie umständlich, breitete sie auf dem Tresen aus, glättete das Papier aufreizend pedantisch. Endlich wies er auf ein Foto. Es dokumentierte die letzte Pressekonferenz der Düsseldorfer Kriminalpolizei. „Kennst du den Typen am Mikrofon?“
Kustow beugte sich über die Seite, sah Pohl erschrocken an. „Klar kenn‘ ich den! Das ist der Schöller von der Düsseldorfer Kripo! Hauptkommissar Schöller! KK 12 – Menschenhandel, Kinderficker sind sein Gebiet. Pass‘ bloß auf bei dem! Ist ein fieser Typ, ein richtiger Terrier. Sag bloß – wegen diesem Arsch schleppst du die Wumme mit dir ‘rum?“
„Ich hab‘ dich gefragt, ob du den Typen kennst, mehr nicht. Also lass‘ die dämliche Fragerei! Ich hab‘ gehört, der … Schöller, sagtest du?“ Er blickte den Russen fragend an.
„Ja, Schöller. Hauptkommissar Schöller.“
„Hat der auch einen Vornamen?“
„Den weiß ich nicht. Wir nennen ihn ‚Ratte‘. Aber Kreuzer weiß ihn bestimmt.“ Er beugte sich hinüber zu Kreuzers Stammplatz. „Eh, Jupp! Wie heißt die Ratte mit Vornamen?“
Kreuzer wischte sich die Hände am feuchten Handtuch. „Du meinst den Kriminalen? Mit Vornamen? Ich glaub‘, Harry oder so.“
„Harry? Richtig, so heißt er. Mach‘ uns noch zwei!“ Kustow sah Pohl argwöhnisch an. „Das geht doch in Ordnung? Oder?“
Pohl zögerte einen angemessenen Augenblick, als müsste er überlegen, dann nickte er gnädig. „Ausnahmsweise. Zurück zu meiner Frage: Ich hab‘ gehört, der Schöller sei häufiger hier?“
Kustow wog den Kopf betulich hin und her. Er hatte seine Selbstsicherheit zurückgewonnen, sah sich aufgewertet. Immerhin wollte der Fremde von ihm Informationen, vor allem aber: Er konnte sie liefern! „So häufig nun auch wieder nicht. Duisburg ist ja nicht sein Revier. Seit einigen Tagen geht er uns allerdings mächtig auf den Geist.“
„Ach ja? Wieso das?“
Kustow zuckte die Achseln. „Das musst du ihn schon selber fragen.“ Seine Gesichtszüge wirkten mit einem Male versteinert. Er hob das frisch gezapfte Bier, trank, ohne Pohl zuzuprosten. Er war plötzlich wieder argwöhnisch geworden. Er wusste nicht den genauen Grund, doch sein Bauchgefühl riet ihm, gegenüber dem Fremden sehr vorsichtig mit seinen Äußerungen zu sein.
Pohl erkannte auf Anhieb, dass weiteres Fragen ihn nicht weiterbrächte. Noch war der Russe zu
Weitere Kostenlose Bücher