Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Dad auch mir gegenüber Geheimnisse hatte. Oder vielleicht hatte Nunzio es aus irgendeinem Grund nicht einmal Enzo verraten. Ich räusperte mich und sagte: »Nicht, bevor er krank wurde und ich als Vermittlerin eingesprungen bin. Dann hat er mir von … von allem erzählt.«
Tyler lächelte wieder, jetzt aber eher traurig. »Mein Dad hatte nie die Möglichkeit, mir etwas zu erzählen, abgesehen von ein paar grundlegenden Sachen über das Syndikat und die Position, die wir darin bekleiden. Ich wusste nicht einmal, dass uns dieses Gebäude gehört, bevor meine Eltern verunglückten.«
»Dir gehört das ganze Gebäude?«
Tyler nickte. »Das war die ursprüngliche Tarnung der Finanzabteilung. Mein Urgroßvater hatte die fantastische Idee, die arbeitende Bevölkerung von Chicago für die Geldwäsche der Syndikatsprofite einzuspannen, und deswegen eröffnete er überall in der Stadt Wechselstuben. Dreckige Dollars wurden gegen druckfrische Scheine, Rechnungen für Strom und Gas, Geldanweisungen und Autoplaketten eingetauscht.«
»Eine Wechselstube gibt es an jeder Straßenecke«, sagte ich.
»Die Geldwäsche wurde in den Siebzigern von StroBisCo übernommen«, sagte er. »Wechselstuben sind aber immer noch der reinste Nepp.«
»Habt ihr mich vergessen, ihr zwei?«, fragte Knuckles aus einer Rauchwolke heraus. »Beschäftigen wir uns jetzt mit unserem Problem, oder was?«
»Auf welche Schule gehst du denn?«, fragte Tyler.
»Fepinsky Prep. Und du?«
»Newton Minow Academy. Ich mache im nächsten Monat meinen Abschluss.«
»Cool, das ist sicher total aufregend. Wohin gehst du denn aufs College?«
»Hallo, hört mich jemand?«, meldete sich Knuckles wieder.
»Ich bleibe in der Stadt – ich will an der University of Chicago Wirtschaft studieren«, antwortete Tyler. »Schließlich muss ich mich ja ums Familienunternehmen kümmern.«
»Ja, das hat was«, sagte ich. »Ich habe noch gar nicht übers College nachgedacht.«
»Willst du weg aus Chicago?«
»Ja, ich denke schon.«
»Wird dein Freund dann nicht traurig sein?«, fragte er und lächelte wieder.
»Was zum Teufel läuft hier eigentlich?«, drängelte Knuckles.
»Mein Freund?«, wiederholte ich und musste an den Ball denken, bei dem Max und ich nicht getanzt hatten, an den Film, den wir uns nicht zusammen angesehen hatten, und vor allem daran, wie er mich, als er mich im Commodore Hotel angerufen hatte, als »eine gute Freundin« bezeichnet hatte. »Eigentlich bin ich mit niemandem zusammen, jedenfalls nicht offiziell«, erklärte ich.
»Ich auch nicht«, erwiderte Tyler grinsend. »Jedenfalls nicht offiziell.«
»Das reicht jetzt!«, donnerte Knuckles und ließ eine Klodeckelhand so schwer auf den Lenker seines Elektromobils krachen, dass sich beinahe das Metall verbog. »Klären wir diese Sache jetzt oder nicht?«
»Was?«, fragte Tyler, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Oh, du meinst das Problem mit den Löhnen? Hm, was meinst du denn, Sara Jane?«
Ich zuckte die Achseln und sagte: »Ich meine, Knuckles hat recht. Du solltest seine Jungs bezahlen.«
»Okay«, sagte Tyler. »Dann tu ich das.«
»Hä?«, fragte Knuckles. »Du tust es?«
Tyler wandte sich nun an Knuckles und erklärte: »Die Vermittlerin sagt, ich sollte, also tu ich es.«
Und dann unterhielten wir uns noch eine Weile. Tyler berichtete, dass auf der großen, runden Fläche auf dem Boden früher einmal eine riesige Glühbirne prangte, die man kilometerweit sehen konnte, und dass der Bird Cage Club während der Prohibitionszeit eine der beliebtesten Chicagoer Flüsterkneipen gewesen war, und dann fragte er, ob er mich irgendwann anrufen dürfe.
Ich konnte unmöglich erklären, dass zwischen Max und mir zwar noch nicht viel passiert war, dass ich aber darauf hoffte, dass sich das noch änderte. Mein Herz schlug immer noch ganz klar für Max, aber es wäre eine Lüge gewesen, hätte ich behaupten wollen, dass Tylers Aufmerksamkeit mich völlig kalt ließ. Es war irgendwie ein seltsames, gutes Gefühl, zur Abwechslung einmal die Syndikatsgröße Sara Jane Rispoli zu sein und nicht die Null von der Fep Prep, und Eindruck auf einen Typen zu machen, der so gut aussah wie Tyler Strozzini. Deswegen zögerte ich wahrscheinlich, und anstatt ihm klipp und klar zu sagen, dass das mit dem Anrufen keine so gute Idee war, erklärte ich vielmehr, dass es mit meinen Telefonen gerade ein bisschen kompliziert war, und das stimmte ja auch. Tyler zwinkerte und sagte, kein Problem, es sei seine
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