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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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Wells Street zwischen Washington und Madison, die Hochbahn rumpelte hier vorbei, Scharen von dicken, violetten Tauben pickten den Müll von der Straße auf, und die Leute, die hier vorbeihasteten, bemerkten das Gebäude nicht einmal. Und dann begriff ich: Genau das war der Trick. Es war hier, vor aller Augen, und dennoch verborgen. Außerdem fiel mir noch etwas anderes auf. Das Gebäude rechts daneben trug die Nummer North Wells Street dreiundvierzig, das links daneben die Nummer fünfundvierzig, aber das dazwischen gequetschte Currency Exchange Building hatte überhaupt keine Adresse.
    Ja, dachte ich, das ist bestimmt der richtige Ort.
    Ich erinnerte mich an die Anweisung, den Haupteingang zu meiden und lieber durch das angrenzende Friseurgeschäft hineinzugehen. Allerdings war der Eintrag im Notizbuch offenbar überholt, denn in dem Laden befand sich inzwischen ein schäbiger Imbiss, auf dessen mit Taubendreck beschmutzter Markise PHUN HO TO-GO! stand. In dem kleinen, engen Gastraum stand ein gelangweilter Typ mit einer schmuddeligen Schürze hinter dem Tresen und sah sich irgendein asiatisches Programm im Fernsehen an. Die Tür der Damentoilette war abgeschlossen, also wandte ich mich an die Bedienung.
    »Entschuldigung, darf ich mal die Toilette benutzen?«
    Ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden, deutete der Mann auf ein Schild mit der Aufschrift »Toilettenbenutzung nur für Kunden«.
    Ein paar Minuten später hatte ich eine Tüte Frühlingsrollen in der Hand und einen Schlüssel. Auf dem Weg zum Klo blieb ich kurz stehen und erinnerte mich daran, wie ich den Cops im North Avenue Beach House entkommen war: Dort hätte ich ein echtes Problem gehabt, wenn ich nicht instinktiv in die Herrendusche gerannt wäre. Offenbar war dem Capone-Tür-Erfinder Joe Little nie der Gedanke gekommen, dass jemals eine Frau auf seine Vorrichtungen angewiesen sein würde. Der Typ am Tresen beachtete mich nicht, und daher schlüpfte ich ins Männerklo und erblickte dort ein Waschbecken und ein altmodisches Porzellanpissoir. Dessen verblasstes Logo lautete Chicago Hygienic Inc., und das C in Chicago war ein bisschen erhöht. Die Vorstellung, es anzufassen, fand ich ziemlich eklig. Vorsichtig drückte ich schließlich mit einem Papierhandtuch darauf, und tatsächlich schwang das Porzellanbecken leise beiseite und enthüllte eine dämmrige Nische. Schnell schlüpfte ich hinein und hörte, wie das Pissoir mit einem Klacken wieder an seinen Platz rückte. Vor mir hing ein Fahrstuhlkorb aus Stahl, der aussah, als sei er aus schwarzer Spitze geklöppelt. Es gab drei Knöpfe – Aufwärts, Abwärts und Garage. Da ein Laden mit einem Namen wie »Bird Cage Club« eher oben als unten zu vermuten war, drückte ich auf den Aufwärts-Knopf. Ein Knacken und Surren ertönte, und dann ging es in die Höhe. Kurz, bevor ich mein Ziel erreichte, hörte ich schon ein schleimiges, rasselndes Husten, dann hielt der Aufzug, und durch den Korb hindurch sah ich Knuckles, der auf seinem Elektromobil hockte.
    »Willkommen im Bird Cage Club«, schnaufte er. »Der beste Ausblick der ganzen Stadt!«
    Der kreisrunde Raum, den ich nun betrat, lag offenbar in der Kuppel des Gebäudes. Die Träger waren aus demselben feinen, spinnwebenartigen Stahl wie der Fahrstuhl. Die runden Wände waren komplett verglast und boten einen fantastischen Blick über die Innenstadt und die umliegenden Bezirke bis hinunter zum See. An einer Wand befand sich eine mit schwarzem Leder bespannte Bar, aber andere Möbel gab es nicht. Der Boden war mit weißen, achteckigen Fliesen ausgelegt, und abgesehen von einer großen, runden Plattform in der Mitte des Raumes war hier nichts außer Knuckles und mir.
    Oder zumindest glaubte ich das.
    Bis ich hörte, dass sich jemand höflich räusperte.
    Nun entdeckte ich noch einen Mann, der mir den Rücken zuwandte, und als er sich umwandte und lächelte, blieb mir fast das Herz stehen.
    Er hatte volles, schwarzes Haar und tiefgrüne Augen, seine Haut war von einem leichten Kupferton, und seine dichten, schwarzen Augenbrauen hoben sich zu kleinen, geschwungenen Bögen, als er mich sah. Er war so groß wie Max und hatte breite Schultern, die perfekt in seinen maßgeschneiderten Anzug passten, und sein Lächeln war warm und selbstbewusst. Vor allem überraschte mich, dass er kaum älter war als ich. Irgendwie wirkte er vertraut, und unwillkürlich rutschte mir heraus: »Du siehst aus wie dieser Schauspieler aus dem einen Film … ich glaube, er hat einen

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