Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
wollte, sondern vielmehr, als ob er mich einfach nur in Ordnung fand. Innerhalb von zwei Tagen hatte er mir zwei sehr nette Komplimente gemacht, und für ein Mädchen, das gerade Riesenkomplexe wegen seiner sehr italienischen Nase hatte, gibt es kaum einen besseren Grund für den Beginn einer Freundschaft. Wir unterhielten uns jeden Tag über die üblichen Themen – über sein ödes Familienleben und meine super enge Beziehung zu meinen Eltern und meinem Bruder oder darüber, dass sich bei uns beiden hinsichtlich irgendwelcher romantischer Beziehungen nichts tat. Das Einzige, was wir niemals ansprachen – wahrscheinlich, um die Gefühle des anderen nicht zu verletzen –, war unsere Unbeliebtheit, wobei er von den anderen Schülern richtig abgelehnt wurde, während ich größtenteils freiwillig Abstand hielt. Wahrscheinlich hätte ich gar kein Problem damit gehabt, einen Partner für den Ball zu finden. Zwar war ich selbst mit meinem Aussehen unzufrieden, aber einige der Jungs schienen meine Erscheinung ganz okay zu finden. Aber die Zurückgezogenheit meiner Familie hatte sich mir tief eingebrannt, und daher bemühte ich mich nie um einen großen Freundeskreis. Doug war anders als andere Jugendliche, und in unserer Isoliertheit waren wir uns beide ähnlich. Wir fanden zueinander, weil wir beide Außenseiter waren, und natürlich auch wegen der Filme.
Doug weiß mehr über Filme als jeder andere Jugendliche auf der ganzen Welt, wahrscheinlich sogar mehr als alle Erwachsenen, abgesehen von seinem großen Vorbild, dem Filmkritiker Roger Ebert. Er redet ständig über Filme, egal mit wem, und scheint auch nie zu wissen, wann er besser einmal damit aufhören sollte; vielleicht interessiert es ihn auch einfach nicht. Manchmal zitiert er aus Filmen, von denen kaum ein anderer je gehört hat, geschweige denn dass er sie gesehen hätte, und deswegen wirkt Doug manchmal ein bisschen verrückt. Er tippt ständig wie besessen etwas in sein Laptop, und wenn ich ihn frage, woran er arbeitet, kommt immer die gleiche Antwort – an dem größten Drehbuch aller Zeiten, einem Epos über einen gemarterten Helden. Ich habe ihn gefragt, ob ich es lesen darf, und er sagte, vielleicht, wenn er einmal damit fertig ist, aber vorher ist Spicken tabu. Orson Welles und Quentin Tarantino hätten auch nie zugelassen, dass man eines ihrer Werke begutachtete, während sie noch daran arbeiteten.
Und dann ist er noch völlig besessen von dem Film Kehrt marsch .
Es handelt sich dabei um eine alte Schwarzweiß-Komödie aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, geschrieben und gedreht von einem unbekannten Komiker namens Charlie »Chuckles« Huckleman, der auch selbst mitspielt. Doug hatte ein Original-Drehbuch dazu bei eBay »geschossen« (seine Worte) und las nun ständig darin, da es sich um »die Kunst des Drehbuchschreibens in Vollendung« handelte (wieder seine Worte). Charlie Huckleman spielt in diesem Film einen Typen namens Dinwiddy, der nicht so recht zum Soldaten taugt, weil er immer viel zu gut drauf ist, um Disziplin zu zeigen, für Reih und Glied zu wenig Koordination hat und sich aus Angst nicht traut zu schießen. Er wird daher die ganze Zeit von einem bulldoggenartigen Sergeant schikaniert, den Dinwiddy wegen seiner mangelnden soldatischen Tugenden total auf die Palme bringt. Der Running Gag im Film ist der: Wenn der Sergeant mit dem Befehl »Kehrt marsch!« seine Soldaten dazu bringen will, eine 180-Grad-Wendung zu vollführen, dreht sich Dinwiddy immer in die falsche Richtung und stößt dabei gegen andere Soldaten. Doug erklärte dazu, dass Dinwiddys Scheitern an der richtigen Drehung nur scheinbar ein B-Movie-Gag sei, sondern vielmehr ein unausgesprochenes Statement gegen den Krieg. Der ganze Film sei eine Metapher, die zeigen sollte, wieso zivilisierte Menschen jeden Grund haben, sich von Gewalt abzuwenden .
Leider gibt es an der Fep Prep wie überall auf der Welt einen gewissen Anteil an eher weniger zivilisierten Menschen.
Und Doug war gleich in zweifacher Hinsicht, wegen seines enormen Gewichts und seinem endlosen Gerede über Filme, leichte Beute für Sticheleien und Mobbing.
Seit unserem zweiten Highschool-Jahr hat ihn besonders Billy Shniper, auch genannt »Bully The Kid«, auf dem Kieker.
Billy, beziehungsweise Bully, hat blondes, stoppliges Haar, zu nah beieinanderstehende Augen und Armmuskeln wie Ballons. Wenn es darum geht, ein Opfer zu hetzen, einzukreisen und in die Enge zu treiben, dann ist er so gnadenlos wie ein
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