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Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Cold Fury: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. M. Goeglein
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mein Großvater wieder er selbst war.
    Er sah mich liebevoll und bedauernd an.
    Dann ging er auf die Knie, legte mir sanft die Hände auf die Schultern und schaute mich mit diesen blauen Augen an, die wie meine und die meines Vaters mit kleinen Goldpünktchen gesprenkelt waren. » Cara mia … meine Süße, das war nicht dein Grandpa, oh no no no. Das war nur die Arbeit … das gehört dazu, wenn man Bäcker ist.« Er küsste mich auf die Stirn, tätschelte mir die Wange und zog dann mit einem furchtbar traurigen Lächeln einen Karamellkeks hinter seinem Rücken hervor.
    Es war, als ob der Teufel seine Maske abgestreift hätte und darunter der Weihnachtsmann zum Vorschein kam.
    Dieselbe Maske starrte ich nun an, auf dem Gesicht meines Vaters, aber dabei hatte es den Anschein, als sei die Maske viel echter als das, was darunter lag. Meine schlimmsten Ängste – von allen isoliert zu sein, allein gelassen und zurückgewiesen zu werden – kreisten in meinem Kopf und rumorten in meinem Bauch und machten mich schlapp und hilflos.
    »Geh bitte zum Auto« sagte mein Vater in einem ruhigen Ton, bei dem sich mir die Härchen im Nacken aufrichteten.
    Ich hatte schon den Mund geöffnet und wollte widersprechen, als seine Augen die Worte in meiner Kehle einfroren.
    Nur zu gern drehte ich mich um und ging zur Tür, und mein Onkel wollte sich mir anschließen.
    Doch noch bevor sein Fuß auch nur den Boden berührt hatte, sagte mein Dad: »Halt. Setz dich hin.« Er klang wie ein strenges Herrchen, der seinen Hund abrichtet, und mein Onkel gehorchte und suchte sich schnell den nächsten Stuhl.
    Ich stürmte fast so schnell durch die Schwingtür der Backstube wie damals, als ich als kleines Kind vor meinem Großvater geflüchtet war, aber dieses Mal war es anders. Kaum, dass ich mich von meinem Vater entfernt hatte und sich eine Mauer zwischen uns befand, wich die Angst der Neugier. Als die Tür zurückfederte, drangen einige Worte zu mir, »Melasse«, »Nunzio« und »Notizbuch«. Natürlich wusste ich, dass die Karamellkekse von Rispoli & Sons mit jeder Menge Melasse gebacken wurden, und Nunzio, das war mein Urgroßvater Nunzio Rispoli, der die Bäckerei in den 1920er-Jahren gegründet hatte. Aber von diesem Notizbuch, jener uralten Sammlung krimineller Geheimnisse, die so entscheidend für mein Überleben werden sollten, wusste ich damals noch nichts, und das machte mich neugierig.
    Vorsichtig lugte ich durch das runde Fenster in der Tür.
    Mein Onkel saß bebend auf einem Holzstuhl und versuchte erfolglos, unbeeindruckt dreinzuschauen.
    Mein Vater stupste immer wieder mit dem Zeigefinger gegen Onkel Buddys Brust, während er mit ihm sprach.
    Onkel Buddy hatte ungefähr denselben Gesichtsausdruck wie der Nuschelmann, der damals vor Grandpa Enzo gezittert hatte, aber dennoch war es jetzt ein wenig anders. Der riesige Schlägertyp hatte sich nicht getraut, meinem Großvater in die Augen zu sehen, aber Onkel Buddy hielt dem Blick meines Vaters stand. Er hatte Angst, das war unübersehbar, aber nicht so viel, dass er den Blickkontakt vermieden hätte, und ich fragte mich, woran das lag.
    Wahrscheinlich, vermutete ich, weil er ein festes Ziel verfolgt.
    Er will unbedingt dieses Notizbuch in die Hände bekommen.
    »Ich werde es kriegen, Anthony«, sagte mein Onkel und sprach dabei so leise, dass seine Worte wie eine sanfte Brise an meine Ohren wehten. »Und dabei sollte mir besser niemand im Weg stehen. Du nicht … und auch nicht deine Familie. Sonst passiert was.«
    Die Hände meines Vaters zuckten wie zornige Aale, und plötzlich hingen Onkel Buddys Füße ein gutes Stück über dem Boden. Sein Gesicht lief ebenso lila an wie Dads Hände, die sich Onkel Buddys Hals gekrallt hatten und immer fester zudrückten. Mein Onkel ruderte mit den Armen, als ob er durch die Luft schwimmen wollte, machte seltsame Schmatzgeräusche und verdrehte die Augen. Ein leises Knack ertönte, als ob ein Zweig zerbrach, und dann lief ein dünner, roter Blutfaden aus seiner Nase.
    »Wenn du meiner Familie zu nahe kommst, bringe ich dich um.«
    Mein Vater sagte das in ganz ruhigem, nüchternen Ton. Und dann ließ er Onkel Buddy fallen und wandte sich mit einer so schnellen Bewegung zur Tür, dass ich gerade noch Zeit hatte, mich gegen die Wand zu drücken. Onkel Buddy rollte sich auf den Rücken, rang nach Luft und krächzte ihm nach: »Sonst passiert was, Anthony.«
    Die Tür hielt in ihrer Pendelbewegung halb geöffnet inne, und ich duckte mich

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